Kreis und quer:Lusterfüllter Todestrieb

Die Stanzen haben einen wirklich beschissenen Ruf, der im Landkreis nur noch von einem asiatischen Plagegeist übertroffen wird

Von Udo Watter

Auf dem Höhepunkt abtreten, das ist wahre Lebenskunst. Eine Mücke, die ihren Stechrüssel in die Haut des menschlichen Wirtes tunkt und dann in den letzten Zügen des Saug-Aktes noch erschlagen wird, gibt ein optisch besonders eindrucksvolles Bild dieses Gipfels ab: ein matschiger Fleck auf dem Unterarm, kombiniert aus zartem Zweiflügler-Schwarz und dem üppigen Rot des gerade gesaugten Blutes. Man kann jetzt nicht behaupten, die Mücke suche ganz bewusst diesen lusterfüllten Exitus, wie etwa der Franzose den Orgasmus ("La petite mort" nennen sie ihn im Nachbarland - "der kleine Tod"). Aber das Risiko, welches sie mit der ersehnten Blutmahlzeit eingeht, hätte - wenn man den kleinen Insekten ein Bewusstsein zugestände - aus (küchen-)psychoanalytischer Sicht durchaus etwas von Todestrieb.

Aber fernab davon, eine erschlagene Mücke dafür zu bewundern, dass sie den Sinn des Lebens - erfüllt zu sterben - perfekt verwirklicht, genießen die schlanken Insekten, in Bayern auch Stanzen oder Schnaken genannt, einen beschissenen Ruf: Blutsauger, Plagegeister, Krankheitsüberträger, und dann noch dieses böse Summen, immer knapp am Ohr vorbei. Anders als in klassischen Überschwemmungsgebieten des Umlands und besonders am Ammersee, wo gefräßige Mückenschwärme jüngst dafür verantwortlich zeichneten, dass sogar ein Wirtshaus am Ufer kurzfristig schloss und sich eine Initiative mit dem sehr originellen Titel "Mückenplage - Nein danke!" gründete, scheint der Landkreis München von den stechenden Schwärmen biblischen Ausmaßes weitgehend gefeit.

Klar treiben sich die Viecher abends auch verstärkt am Heimstettener See oder in Auenwäldern herum. Aber so weit wie im Fünfseenland, wo von "Zerstörung des Lebensraums des Menschen durch Mückenangriffe" die Rede ist, dürfte es hier nicht kommen. Menschen, die schon in anderen Weltgegenden unterwegs waren, wo Moskitos Malaria oder Dengue-Fieber übertragen, könnten das Ganze eh als Erste-Welt-Übertreibung wahrnehmen, wo man aus Mückenschwärmen einen Elefanten macht.

Was andere kleine Plagegeister angeht, ist der Landkreis indes besser aufgestellt: Am Feringasee bei Unterföhring kam es in der Vergangenheit regelmäßig zum vom Boulevard ausgerufenen "Saugwürmer-Alarm", da Zerkarien ihr Unwesen trieben, die sich in die Haut der Badegäste bohrten und starken Juckreiz auslösten. Gleichsam ein Alleinstellungsmerkmal hat der Landkreis München, speziell in den Gemeinden Neubiberg, Haar und Feldkirchen, als Heimat des Asiatischen Laubholzbockkäfers. Der jetzt wieder aus dem Winterschlaf erwacht: Für den Menschen ist er freilich ungefährlich, als Holzschädling aber eine echte Größe. Wo er auftritt, treten nach und nach die Bäume ab.

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