Kreis und quer:Lieber nur Zweiter als Streber

Der Premium-Landkreis München hat beim Volksbegehren "Rettet die Bienen" Starnberg den Spitzenplatz überlassen. Das hat auch Vorteile

Kolumne von Udo Watter

Vor einigen Jahren gab es mal eine Fernsehwerbung, in der ein älterer Mann eine merkwürdige Bestellung abgab: Für sich orderte er "das zweitbeste Steak", für seine Frau "den zweitbesten Fisch". Was steckte dahinter? Mit einem Investmentfonds solle man lieber entsprechend vorsorgen, sodass man auch im Alter immer "erstklassig essen" könne. Ein großer deutscher Autobauer wirbt nicht nur damit, dass er empathische Fahrzeuge herstellt, sondern auch mit einem Slogan, der suggeriert, man erklimme mit dem Kauf seiner Produkte gleichzeitig die Spitze der evolutionären Pyramide: "Das Beste oder nichts."

Was machen diese Spielarten des kapitalistischen Imperativs, von denen es noch viele weitere gibt (und perfidere), mit unseren Hirnen? Was soll dieser Anspruch: Nur das Beste ist gut genug für mich? Und wer sagt denn, dass das zweitbeste Steak nicht auch vorzüglich mundet? Wobei es idealiter schon von einem glücklichen Rindviech sein sollte - oder man sich eventuell auch mit der zweitbesten Biogurke zufrieden geben könnte.

Alles in allem braucht der sieggewohnte Landkreis München also nicht traurig zu sein, dass er beim Volksbegehren "Rettet die Bienen" nur den zweiten Platz hinter Starnberg belegte, was die prozentuale Anzahl der eingetragenen Unterschriften angeht. In Zeiten, in denen der Begriff "Selbstoptimierung" zu einem kulturkritischen Schimpfwort avanciert ist, reicht es vielleicht auch mal, wenn man nur vorne dabei ist, ohne gleich die streberverdächtige Poleposition einzunehmen.

Bedenklicher stimmt eine andere Meldung von dieser Woche: Zum siebten Mal in Folge verbucht Bayern zwar einen Touristenrekord, aber unter den Top Ten der Übernachtungen ist kein einziger Ort aus dem Landkreis. Logisch, mit Städten wie München, Nürnberg oder auch Regensburg können die hiesigen Örtchen schon qua Größe und Hotelbettenzahl nicht ansatzweise mithalten. Und im Gegensatz zu Garmisch-Partenkirchen liegt Höhenkirchen-Siegertsbrunn halt auch nicht direkt unter der Zugspitze - die Ludwigshöhe in Kleindingharting erreicht als höchster Punkt des Landkreises gerade mal 690 Meter. Auffällig: Mit Bad Füssing, Bad Kissingen und Bad Griesbach haben es drei Kurorte mit Heilquellen in die bayerischen Top Ten geschafft.

Gerade der Süden des Landkreises ist zwar vorne mit dabei, was die Nutzung von Geothermie angeht, aber Erdwärme und Heißwasser allein reichen halt nicht, um sich Bad Unterhaching oder Bad Sauerlach nennen zu dürfen. Die Ayinger Erdlöcher sind ebenfalls eher was für Liebhaber, wobei sich die idyllischen Ortsteile der Gemeinde um ihre Anziehungskraft generell keine Sorgen machen müssen. Von Heilquellen im Norden ist auch nichts bekannt, dafür leitet die TU bei Garching seit Jahren schwach radioaktives Wasser in die Isar ein. Ob die Fische, die dort rumschwimmen, aber deswegen zweitklassig sind? Und wenn schon, sie schmecken sicher nicht schlechter als ihre Pendants aus dem Starnberger See.

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