Prozessionen an einem sonnigen Feiertag zu sehen, ist für Oberbayern (m/w/d) nichts Ungewöhnliches – man braucht nur auf einen der Münchner Hausberge im Oberland zu gehen. Manch Wanderer muss nach so einer Tour dankbar sein, dass er vom vielen „Servus“-Sagen – der obligaten Begrüßungs-Formel, welche er entgegenkommenden Berggehern entrichten muss – nicht zu lispeln begonnen hat. Hier könnte ja mal die bewährte Verbotspartei CSU einschreiten, und neben Gendersternchen auch das „Servus“-Sagen im Gebirge untersagen.
Aber zurück auf den Boden der Tatsachen und zu den Prozessionen im flacheren Land. An Fronleichnam (abgeleitet von „vrône lîcham“ für „des Herren Leib“) sind die Straßen vieler bayerischer Gemeinden Schauplätze üppigster katholischer Prachtentfaltung – auch im Landkreis München eröffnen sich zahlreichen Gelegenheiten, im Banne von Monstranzen, gewandelten Hostien, Fahnen, Altären, Blumen und liturgischen Gesängen die heiligen Umzüge zu erleben und die Sinne vom Weihrauchduft spirituell erregen zu lassen. Den hat die bewährte Verbotspartie CSU ja Gott sei Dank noch nicht verboten, so wie sie es gerade überall mit dem Grasrauchen versucht.
Von Aying über Ottobrunn und Unterschleißheim bis Neuried, Haar und Planegg gibt es an diesem Donnerstag vielerorts Prozessionen, die diesem katholischsten und irgendwie auch merkwürdigsten Feiertag im Jahr huldigen: Das Hochfest des Leibes und Blutes Christi. Zelebriert wird die vollkommene Menschwerdung Jesu, seine Gegenwart im Sakrament der Eucharistie. Während religiös unmusikalischen Menschen solche Begriffe ein großes Fragezeichen ins Hirn zaubern, wissen regelmäßige Hostien-Verzehrer, wovon die Rede ist: „Der Leib Christi“, sagt der Pfarrer. „Amen“, antwortet der Gläubige und empfängt das Ding.
In Kirchheim gibt es zwar auch wieder einen Festgottesdienst, aber heuer entfällt die Prozession – nicht weil die CSU sie verboten hätte, sondern wegen der Landesgartenschau. Das ist insofern auch aus christlicher Perspektive akzeptabel, da diese ja irgendwie auch die Segnungen der Schöpfung feiert und in den dort lustwandelnden Menschen gleichsam das Bild des verlorenen Paradieses wieder aufblühen lässt, auch das war ja bekanntlich ein Garten. Im spirituell-religiösen Idealfall entfaltet sich gar der Vorgeschmack kommender Herrlichkeiten – falls nicht wieder so eine Vegetarierin dazwischenkommt und den Apfel isst.
Im bayerischen Sinne geschmackssicherer endet eine Prozession ohnehin anderweitig: Der Pullacher Festzug findet etwa vor der Dreifaltigkeitskapelle an der Waldwirtschaft seinen Abschluss, damit man sich anschließend im Biergarten stärken kann. Die so landestypische Verschmelzung von Brauchtum und religiöser Sublimierung findet auch am anderen Isarufer wunderbaren Ausdruck, wo in Grünwald nach der Prozession ein Weißwurstfrühstück im Zelt des Burschenvereins wartet – es ist gleichzeitig der Beginn des dreitägigen Dorffests. Luja.