Kreis und quer:Kleiner Piks, große Aufregung

Viele echauffieren sich über Fehler im Kampf gegen die Pandemie. Sie übersehen dabei, was vorangeht und wo an der Basis Großartiges geleistet wird

Kolumne von Martin Mühlfenzl

Zu wenig! Zu spät! Zu unkoordiniert! Es ist dieser Tage ein Leichtes, sich wahlweise über die Kanzlerin, den Gesundheitsminister, die Europäische Union oder die EU-Kommissionspräsidentin aufzuregen. Impf-Chaos. Impf-Versagen, Impf-Durcheinander. Was haben "die da oben" nicht alles versemmelt im Kampf gegen das Virus und bei der Beschaffung von ausreichend Impfstoff.

Oder aber man lässt Menschen wie Jan Steinbach zu Wort kommen, den Leiter des Lore-Malsch-Hauses in Hohenbrunn, der schon am 27. Dezember, dem Tag des Impf-Starts, sagte, ihm stünden die Tränen in den Augen, als die Ehrenamtlichen der Malteser in sein Haus kamen, um mit einem kleinen Pikser Großes zu bewirken: die Schwächsten in der Gesellschaft vor dem bedrohlichen Coronavirus zu schützen. Seit dieser Woche, bestätigt Steinbach, sind in dem Heim alle Bewohner, die dies wollten, mit der zweiten Impfung geschützt. Mehr als 90 Prozent waren dazu bereit und auch unter den Mitarbeitern steigt die Impfbereitschaft stark an. "Großartig." So kommentiert der Heimleiter, was in seinem Haus vor- und auch vorangeht.

Die viel gescholtene Bundesregierung hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass der Prozess hin zur Herdenimmunität ein weiter sein wird, der Zeit in Anspruch nimmt. Viel Zeit. Dennoch reißt die Kritik an der Impf-Strategie nicht ab. Gerne wird dabei das Beispiel Israel ins Spiel gebracht. 3,3 Millionen Menschen sind dort bereits geimpft worden, 40 Prozent der Bevölkerung. Dabei wird aber übersehen, dass sich Israel gewissermaßen zum Versuchslabor der Welt hat machen lassen, indem es die Impfstoff-Lieferungen offenbar nicht nur mit Geld, sondern auch mit sensiblen Gesundheitsdaten der Patienten an den Konzern Pfizer bezahlt. Dies ist - zum Glück - in Deutschland undenkbar, schließlich hebelt auch eine Pandemie den Datenschutz nicht aus.

Nicht falsch verstehen: Weder der Bund noch der Freistaat oder Landkreis haben in dieser Krise alles richtig gemacht. Nicht zuletzt die Datenpanne bei der Erfassung von Corona-Fällen, die nicht erfolgte Bearbeitung von Strafbescheiden im Landratsamt gegen Corona-Sünder oder Ärger rund um die Anmeldung für Impftermine haben dies gezeigt. Das Impfen selbst aber läuft, auch wenn es manch einem gefühlt zu langsam vorangeht. Und es sind "die da unten", die es am Laufen halten: die Ehrenamtlichen der Malteser und Johanniter, des Roten Kreuzes und des Technischen Hilfswerks.

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