Kreis und quer:Jugend an die Macht

Die Kommunalparlamente brauchen eine Auffrischung - behaupten auch etwas ältere Semester

Von Martin Mühlfenzl

Eine kurze Zigarettenpause mit Florian Ernstberger am Seiteneingang des Landratsamtes am Mariahilfplatz kurz vor der Sitzung des Kreisausschusses kann aufschlussreich und unterhaltsam sein. Passenderweise steht auf der Kippenschachtel der Werbespruch "Enjoy the Moment". Schon klar, Rauchen ist ungesund, also, Kinder (und natürlich auch Erwachsene), fangt erst gar nicht an damit. Aber in rauchgeschwängerter Atmosphäre lässt es sich ganz gut quatschen. Über das Alter, Nachwuchssorgen der Parteien, darüber, dass sich Junge nicht mehr für die Kommunalpolitik interessieren. Das alles bläst aus dem 59-jährigen Ernstberger heraus. Und der Kreisrat aus Gräfelfing hat ja nicht ganz unrecht.

"Was soll das nur werden?", fragt Ernstberger. In der Tat, der Kreistag ist - mit Verlaub, ehrenwerte Kreisräte - kein Quell der Jugend. Auch in den 29 Stadt- und Gemeinderäten im bevölkerungsreichsten Landkreis des Freistaats sind Vertreter der jüngeren Generation so rar wie staufreie Tage auf der A 99. Es muss also was dran sein, an dem sich hartnäckig haltenden Gerücht von der entpolitisierten Jugend, die sich von den Parteien ab- und 24 Stunden am Tag dem Smartphone zuwendet. Von den Millennials, dieser "Generation me", die sich nicht mehr dafür interessiert, die Gesellschaft zu verändern, neu aufzubauen, zum Positiven zu verändern - sondern ichbezogen das Glück sucht. Oder ihren Nachfolgern: Den Freitagsdemonstranten der Generation Z mit ihrer Galionsfigur Greta Thunberg. Schulschwänzer, die für Klimaschutz auf die Barrikaden gehen, aber die Politik nur mit Verachtung strafen. So ist das mit der Jugend heute.

Das ist natürlich kompletter Quatsch. Nie war die Jugend derart politisiert und sensibilisiert für die großen Probleme dieser Zeit. Und schon immer haben sich die Parteien auf lokaler Ebene schwer getan, Jugendliche und junge Erwachsene dafür zu begeistern, im Hinterzimmer des Gasthofs XY über Flächennutzungspläne und Friedhofssatzungen zu debattieren. Lokalpolitik kann furchtbar zäh sein. Ganz böse Zungen sagen, es sei spannender, der Farbe beim Trocknen zuzusehen. Aber auch das ist ungerecht.

Es kann befreiend sein, im Kleinen die Probleme von heute und morgen zu lösen. Vielleicht ist das die Aufgabe derjenigen, die heute in den Gremien Verantwortung tragen: Den Jungen aufzuzeigen, dass sie ihre Wut, die sie zurecht in sich tragen, in der Kommunalpolitik schnell in etwas Produktives verwandeln können. Indem sie im Kreistag oder Stadt- und Gemeinderat etwas für den Umweltschutz beraten und beschließen, nachhaltige Bau- und Wohnprojekte auf den Weg bringen, den Verkehr aus dem Ort verbannen oder für besseren Lärmschutz kämpfen. Gemeinsam mit den Alten.

Florian Ernstberger tritt bei der Kommunalwahl in seinem Heimatort Gräfelfing übrigens wieder als Bürgermeisterkandidat an. Gut so. Ein bisschen Erfahrung schadet schließlich auch nicht.

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