Kreis und quer:Jetzt aber mal den Turbo einlegen

Eile ist geboten, vor allem beim Impfen. Aber auch beim Rathausbau oder der verkehrlichen Erschließung des TU-Campus. Doch der natürliche Feind der Beschleunigung ist die Machbarkeitsstudie

Kolumne von Iris Hilberth

Unter Turbo verstehen die meisten etwas richtig Schnelles. Ein Turbolader zum Beispiel ist eine Abgasturbine zur Leistungssteigerung von Kolbenmotoren. Auch der erste Düsenjäger wurde umgangssprachlich so bezeichnet. Es gab auch mal einen Marathonläufer aus Äthiopien, der diesen Namen trug. Tumo Turbo lief die 42,195 Kilometer in zwei Stunden und neun Minuten. Das ist schon verdammt flott. Politiker sprechen daher gerne mal davon, den Turbo einzuschalten, zuzuschalten, anzuwerfen, einzulegen oder gar zu zünden, um das aus ihrer Sicht schnelle Handeln wortgewaltig zu unterstreichen.

Nun also der Impfturbo. Den wollen alle endlich aktivieren, auch Landrat Christoph Göbel hat ihn diese Woche wieder mal erwähnt. Als er die mobilen Impfteams losschicken ließ, um an Orten jenseits von Arztpraxen und Impfzentren Leute zu finden, die sich spontan die Spritzen gegen die Corona-Seuche verabreichen lassen, hat er gehofft, jetzt richtig Gas geben zu können. Genug Stoff ist ja inzwischen da. Nur nicht genügend Impflinge. Mit dem Turbo, wie ihn die meisten verstehen, hat das weiter wenig zu tun, der Anstieg der Impfquote ist nicht annähend so schnell, wie Tumo Turbo das war.

Auch an anderen Schrauben im Landkreis wird eher langsam gedreht. In Taufkirchen und Ottobrunn tüfteln Verkehrsplaner schon sehr lange an einer Anbindung des TU-Campus. Jetzt gibt es wieder mal einen neuen Vorschlag: die Ottobahn, ein Verkehrsmittel mit Gondeln an Schienen. Deren Erfinder versprechen, es könne schon bald fahren, quasi turbomäßig verwirklicht werden. Doch jetzt wird erst einmal eine Machbarkeitsstudie empfohlen. Dass Machbarkeitsstudien und Turbos sich nicht gut vereinbaren lassen, weiß man spätestens seit den Planungen für Radschnellwege. Dass der Gemeinderat von Neubiberg nach zig Jahren Diskussion über die Rathauserweiterung mit seinem jüngsten Beschluss tatsächlich Bewegung in die Sache bringt, ist fast schon eine Turbo-Leistung.

Womöglich haben das alle mit dem Turbo einfach nur falsch verstanden. Man denke nur an Turbo bruneus. Eine durchaus entzückende fünf Zentimeter große Schneckengattung, umgangssprachlich Turbanschnecke genannt, die hauptsächlich in tropischen Gewässern vorkommt. Man kann ihr mit Wohlwollen begegnen. Denn sie frisst am liebsten Algen, wird daher gerne von Aquarianern gekauft. Die Schnecke - man hat es schon geahnt - ist ein eher gemütliches Haustier. Die Geschwindigkeit von Turbo bruneus wird mit "langsam" angegeben.

Manch einem wird auch noch die Turbo-Taste an Computern der Achtziger- und Neunzigerjahre in Erinnerung sein. Die war keineswegs dazu gedacht, den Rechner schneller zu machen. Das Gegenteil war der Fall: Die Leistung wurde per Knopfdruck reduziert, um das Gerät mit alten Programmen kompatibel zu machen. Zur Steigerung der Impfquote sollte man von solchen Tasten besser die Finger lassen.

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