Kreis und quer:Jedi trifft Heilige Könige

Wir befinden uns in einer Zeit zwischen Besinnlichkeit und Fetzengaudi

Von Michael Morosow

Fliegt der Bauer übers Dach, ist der Wind weiß Gott nicht schwach. Zugegeben, diese Sentenz ist der Schublade "Bauernregel, lustig" entnommen, aber sie passt zum doch recht stürmischen Wetter zum Jahresbeginn. Nach dem lärmenden Nikolaus-Advents- und Weihnachtsgetöse sowie dem Böllerwahnsinn an Silvester pfiff tagelang stürmischer Wind scharf durch alle Ritzen, ließ Fensterläden krachend zufallen und rumorte auf Balkon und Terrasse. Und heute? Eine schwache Brise weht aus Süd-West, ansonsten Stille. Der gute Karl Valentin hatte schon recht, als er sagte: "Wenn die stade Zeit vorbei ist, wird's ruhiger."

Diese himmlische Ruhe verdanken wir wohl der Unberührtheit des blutjungen Jahres, das noch nicht so recht weiß, was die Zeit bringen soll. Wie auch der Mensch nach Orientierung lechzt, mit einem Bein noch in Bethlehem steht, mit dem anderen bereits auf dem Faschingsparkett. So konnte es am Dreikönigstag durchaus der Fall gewesen sein, dass Kaspar, Melchior und Balthasar an einer Tür klingelten und ihnen ein Jedi-Ritter öffnete, der sich gerade für die Faschingsgaudi am Abend zurechtmachte. Die Unterhachinger Faschingsgesellschaft Gleisenia hatte die fünfte Jahreszeit ja bereits tags zuvor mit einem Schwarz-Weiß-Ball eröffnet. Wir befinden uns also in einer Zeit zwischen Besinnlichkeit und Fetzengaudi, zwischen "Es ist ein Ros' entsprungen" und "Hier fliegen gleich die Löcher aus dem Käse."

Aber es ist nicht nur die angenehme Stille, die einen wohlig umhüllt, es sind auch andere Umstände, die einem eine Atempause gönnen. Die Nachbarschaft ist wie ausgestorben. Den ein oder anderen mag der Wind über die Dächer getrieben haben, andere rekeln sich vielleicht mit ihren Ferienkindern in der Sonne auf den Balearen, schießen in Südtirol die Skipiste runter oder trauen sich ob ihrer Lebkuchenfigur nicht auf die Straße. Jedenfalls schön, dass sie nicht da sind, für sie und für uns. Wir entdecken plötzlich freie Parkplätze in Gegenden, von denen man annahm, hier seien die Autos, Stoßstange an Stoßstange, seit Ewigkeiten fest im Asphalt verschraubt. Und die Straßen und Autobahnen sind beinahe so leer, als gelten darauf Fahrverbot wie im Ölkrisenjahr 1973. Und in Bussen, Trambahnen und Zügen finden sich Sitzplätze. Und wer am Abend zum Italiener will, kann dies ohne Anmeldung tun. Und, und.

Leider ist diese Woche der Entschleunigung und Kontemplation nur eine kurze zeitliche Enklave im schnell pulsierenden Jahresverlauf. Mit Schulbeginn am Montag wird 2017 richtig auf Touren kommen. Die Gruppierung "Bürger für Garching" will gar nicht so lange warten, schon für diesem Sonntag lädt sie zu einem politischen Frühschoppen und räsoniert zum Thema: "Mülltrennung, Müllentsorgung - alles Müll?" Verkleidungen sind nicht erwünscht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: