Kreis und quer:In Beamtenstuben fern der Realität

Alles redet über Datenpannen und Softwareprobleme. Dabei geht es  doch um die Bekämpfung der Pandemie

Von Martin Mühlfenzl

Diese Pandemie hat viele neue Begrifflichkeiten in den Vordergrund treten lassen, die in der vorpandemischen Zeit ein Nischendasein fristeten: Bodenmarkierung, Risikogebiet, Superspreader, Kontaktverbot, Ausgangssperre und viele andere mehr. Im Landkreis München sind in diesem ersten Quartal noch zwei weitere Ausdrücke hinzugekommen: die Datenpanne und das Softwareproblem.

Vor allem "Datenpanne" klingt ja danach, also ob jemand in seinem Büro oder im Homeoffice versehentlich den falschen Knopf oder gar keinen Knopf gedrückt hat. Und wer vom Softwareproblem spricht, der startet doch in der Regel nur den Versuch, die Schuld auf die vermaledeite Technik zu schieben, wenn etwas schiefgegangen ist.

Dass sich der Landkreis München an diesem Osterwochenende nicht in einem etwas härteren Lockdown befindet, und die Menschen fröhlich einkaufen gehen können, hat sehr viel mit einer sogenannten Datenpanne zu tun - und der Realitätsferne in manchen deutschen Beamtenstuben. Weil es die neuesten Infektionszahlen aus dem Landkreis am vergangenen Dienstag nicht vom Gesundheitsamt über das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit bis zum Robert-Koch-Institut schafften - Stichwort: Digitalisierung -, fiel die wichtige Sieben-Tage-Inzidenz für Mittwoch auf einen offiziellen RKI-Wert weit unter 100. Am Dienstag lag der Wert übrigens noch darüber, am Donnerstag ebenfalls. Weil aber ausschließlich auf Grundlage von RKI-Inzidenzen neue Corona-Beschränkungen veranlasst werden (auch wenn sie ersichtlich falsch sind), war die Regel durchbrochen, dass nach drei Tagen mit einer Inzidenz von über hundert neue Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ergriffen werden müssen. Das wäre im Landkreis von diesem Samstag an der Fall gewesen.

So ein Vorgehen können sich tatsächlich nur Bürokraten ausdenken. Jene Bürokraten, die Anfang des Jahres eine neue, verpflichtende Software für die Gesundheitsämter eingeführt hatten, die - etwa im Münchner Landratsamt - mit der bestehenden Technik nicht kompatibel war. Das hatte zur Folge, dass über Tage hinweg verfälschte Zahlen veröffentlich wurden. Um das zu korrigieren wurden anschließend Tausende Infektionsfälle nachkontrolliert - händisch.

Es ist in diesen Tagen ja viel von Chaos, Versagen, Dilettantismus die Rede. Begriffe, die einen eigentlich zu führenden Diskurs überlagern. Denn nach wie vor ist die entscheidende Frage: Wie kann es gelingen, die Infektionszahlen runter zu bringen, um Intensivstationen und das medizinische Personal zu entlasten? Es wird nur funktionieren, wenn die Politik die Menschen wieder mitnehmen und überzeugen kann. Nicht mit immer neuen Pannen, sondern nur mit Vertrauen.

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