Kreis und quer:Immer Stress mit dem Ex

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Wenn Alphatiere nicht aufhören können, ist das mitunter auch in der Kommunapolitik problematisch

Kolumne von Iris Hilberth

Was passiert eigentlich mit einem Alphatier, das seine Führungsposition aufgeben muss? Der amerikanische Stressforscher Robert Sapolsky, der seine Beobachtungen von Affenbanden in dem Buch "Mein Leben als Pavian" niedergeschrieben hat, berichtet vom Anführer "Salomon", der nicht abtreten wollte, als die Zeit für einen Machtwechsel gekommen war. Irgendwann, als die Konkurrenten ihn lange genug gejagt, gebissen und geschlagen hatten, verließ Salomon die Gruppe und schloss sich einer fremden Affenhorde an, bei der er als unbedeutendes Männchen den Rest seines Affenlebens verbringen konnte. Auf die Idee, als Ex-Chefpavian oder als Silberrücken a.D. zu bleiben, wäre er wohl nie gekommen.

Man weiß nicht, ob die Nachfolger Salomons Wert auf dessen Rat gelegt hätten. Vermutlich waren sie froh, dass er weg war. Das sind Nachfolger meistens. Denn es kann richtig unangenehm werden, wenn der Ehemalige nicht mehr Erster und noch nicht einmal Zweiter sein darf, aber trotzdem nicht daran denkt, zu verschwinden. Wenn er einfach bleibt, sich aber keineswegs mit seiner ihm zugedachten Rolle als Ehrengast oder väterlicher Ratgeber in Teilzeit begnügt. Wie der alte Landwirt, der längst im Austragshäusl sitzt, es sich aber nicht verkneifen kann, regelmäßig durch die Stalltür zu marschieren, um dem Jungbauern ungefragt zu erklären, dass er Mist macht. Oder der ehemalige Vorsitzende des Sportvereins, der andauernd auf der Tribüne und im VIP-Raum die Mannschaftsaufstellung und die Taktik des Trainers mies macht. In der Politik fällt es den Alphas offenbar besonders schwer, ganz zu gehen, als Alterspräsident Milde auszustrahlen und das Tun der Nachfolger einfach mal unkommentiert zu lassen.

Ein Bürgermeister, der seine Vorgänger nur noch in Form der Ahnengalerie im Rathaus zu Gesicht bekommt, kann sich da in manchen Fällen glücklich schätzen. Kein: "Das haben wir früher immer so gemacht!" Oder: "Das hat so noch nie funktioniert!" Sicherlich gibt es auch hier die "Salomons", die sich andere Tätigkeiten weit ab der alten Wirkungsstätte suchen, und sogar solche, die dem Neuen das Feld wohlwollend überlassen. Andere haben aber auch weiterhin großes Sendungsbewusstsein und sind nicht selten überzeugt davon, dass sie es nach wie vor besser könnten. Mit Hochgenuss fahren sie dann dem Nachfolger in die Parade.

Stress mit dem Ex ist kein Spaß. Besonders intensive Erfahrung macht damit regelmäßig der amtierende Rathauschef von Taufkirchen. Der hat es gleich mit einer ganzen Horde von Ehemaligen zu tun. Der eine sitzt für die Freien Wähler im Gemeinderat und weiß alles besser. Der nächste sitzt zu Hause am Birkengarten und freut sich, wenn er der Verwaltung Fehler nachweisen kann. Und der dritte klagt gerne mal gegen die Gemeinde. Die japanischen Rotgesichtsmakaken bekommen das übrigens besser hin mit dem Ex: Die setzen ihre ehemaligen Chef-Affen als Streitschlichter ein.

© SZ vom 08.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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