Süddeutsche Zeitung

Kreis und quer:Heftig, deftig "keferloherisch"

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Früher war alles besser, zurück zur Tradition, das klingt eingängig, aber manchmal ist das trügerisch, wie ein Blick in die Geschichte des Keferloher Montags zeigt

Kolumne von Iris Hilberth

Nostalgie hat immer etwas mit Wehmut zu tun. Mit verklärtem Blick auf die Vergangenheit lässt manch einer sich leicht zu der Aussage hinreißen, dass früher sowieso alle besser war. Da vergisst man im Retro-Modus dass Cordsamt und Schlaghosen schon damals nicht immer toll aussahen, dass das Vintage-Sofa eigentlich unglaublich unbequem ist und Wählscheiben an Telefonen zwar lustige Geräusche machen aber ziemlich zeitaufwendig und daher unpraktisch sind. Und doch lässt sich mit dem Begriff "Classic" mit einigen Produkten gut Kasse machen und der Hinweis auf alte Traditionen, an die man anknüpfen wolle, ist meistens ein Garant für wohlwollende Aufmerksamkeit.

Jetzt möchten auch die Veranstalter des Keferloher Montags zurück zu den Wurzeln. Immerhin: Das Fest gibt es schon seit gut tausend Jahren. Da kann man wirklich mal von Traditionen sprechen. Das inoffizielle Motto dieses Retro-Fests, das das Vorstandsmitglied der Keferloher Freunde, Ernst Weidenbusch, ausgegeben hat, lautet: "Ohne den ganzen Klamauk." Eine solche Zeitreise kann dennoch nicht ganz ungefährlich sein. Das beweist ein Blick in die Berichterstattung längst vergangener Keferloher Zeiten. Während die Lektüre des "Volksboten für den Bürger und Landmann" vom 3. September 1856 beruhigen kann, dass hier früher doch nicht immer so wild gefeiert wurde, wie oft behauptet wird ("Keferloherisch wie sonst, ging's dabei nicht zu, was beweist, dass dem früheren Unfug endlich der Garaus gemacht worden ist."), bekommt man beim Nachlesen im Bairischen Eilboten vom 9. September 1837 eine ungefähre Ahnung, warum "keferloherisch" nicht unbedingt ein Adjektiv ist, das sich als Kompliment eignet. "Keferloherische Begrüßungen", erfährt der geneigte Leser, sind nicht etwa Sympathiebekundungen sondern schlichtweg Schläge, und die gab es hier offenbar zuhauf. ("Ein Mädchen, das eine Ohrfeige erhalten, fragte: "Ja was war denn dees?" - "keferloherisch" war die Antwort."). Auch in einem Bericht einer 15-Jährigen aus dem Jahr 1921 ist von "schneidig" und "keferlohrerisch" die Rede. Grob und flegelhaft, könnte man auch sagen. Und irgendwie hatten damals alle darauf gewartet, dass es losgeht - mit der Rauferei. Sie wurden nicht enttäuscht.

Potenzial für einen echten, ehrlichen Keferloher Montag gibt sicher auch heute noch genug. Diese Woche zeugen die Polizeimeldungen im Landkreis wieder mal davon. Vorfahrt genommen, Schimpftiraden und schließlich eine Prügelei auf einem Baumarktparkplatz in Unterhaching. Nicht ganz ungewöhnlich. Aber bemerkenswert. Sind wir nicht alle wieder ein bisschen keferloherisch?

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Quelle:
SZ vom 10.08.2019
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