Kreis und quer:Die Kehrseite der Schokoladenseite

Viele haben in der Pandemie bei Süßigkeiten kräftig hingelangt, um sich gut zu fühlen. Deshalb sollte sich jetzt keiner schlecht fühlen

Kolumne von Iris Hilberth

Sommer, Sonne, Badesaison. Endlich raus aus den Klamotten und rein in die Badehose, dachten sich diese Woche viele und freuten sich, wenn sie eine der abgezählten Freibadkarten ergatterten. Die Bäder sind vorsichtshalber immer noch im Corona-Modus. Die Figur ist es leider auch. Was wölbt sich denn da für ein Bäuchlein über dem Bund der Shorts? Es gibt ihn wohl doch, den Pandemie-Speck. Wer es immer noch nicht glaubt: Laut einer neuen Studie der TU München haben fast 40 Prozent der Befragten in den vergangenen Monaten zugenommen, im Schnitt 5,5 Kilo. Klar, Fitnessstudios waren zu, Vereinssport fiel flach. Oder liegt es doch am Essen?

Eine Mitteilung der Gewerkschaft Nahrun-Genuss-Gaststätten (NGG) bestätigt nun, was manch einer vielleicht schon geahnt hat: Die Süßigkeiten gingen in der Pandemie weg wie nichts. Das fiel nur nicht so auf, weil die Regale offenbar immer schnell wieder aufgefüllt wurden. Der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie hat festgestellt: Im Landkreis München wurden im vergangenen Jahr 11 700 Tonnen Süßwaren gegessen. Davon allein 3300 Tonnen Schokolade. Das sind unglaubliche 3 300 000 000 Gramm. Eine Tafel wiegt in der Regel 100 Gramm und ist 26,67 mal 9,14 mal 1,52 Zentimeter groß. Man stelle sich mal diesen Schokoberg vor! Dagegen ist der Perlacher Mugl ein Witz.

Freilich sind wir ein großer Landkreis und all die Schokolade verteilt sich auf immerhin 350 000 Schleckermäuler. Macht aber immer noch durchschnittlich 33,4 Kilo für jeden, was etwa einer Tafel pro Tag entspricht, wenn man die Fastenzeit mal abzieht. 2,6 Prozent mehr Knabberkram wurde im Corona-Jahr gefuttert, nicht nur süßer, sondern auch salziger. So wurden im Landkreis 1900 Tonnen Chips sowie 1600 Tonnen Speiseeis vertilgt. "Nervennahrung im Homeoffice und Chips vorm heimischen Fernseher", vermutet Tim Lünnemann, der Geschäftsführer der NGG-Region München. Er hat wohl recht.

Schließlich soll Schokolade ja glücklich machen. Obwohl eine Tafel 600 Kalorien und ein schlechtes Gewissen liefert. Zwar vertreibt auch ein Apfel den Hunger und hebt damit auch irgendwie die Stimmung. Wie zu allem gibt es auch hier eine Studie, aus dem Jahr 2006, und die besagt: Mit Schokolade funktioniert das besser. Denn Kakao enthält natürliche Aufputschmittel und einen Baustein des Glückshormons Serotonin. Kann man in der Einsamkeit vor dem heimischen Rechner schon mal brauchen. Allerdings verwiesen die Würzburger Forscher auch darauf, das der Effekt bei normaler Vollmilchschokolade - und die ist mit einem Marktanteil von fast 50 Prozent mit Abstand der Renner - eher gering ist. Es geht beim Naschen wohl vor allem um Belohnung und ein gutes Gefühl, weil Schokolade positive Erinnerungen weckt. Also vergessen Sie die vielen Kalorien einfach und zeigen Sie sich im Schwimmbad gut gelaunt von Ihrer Schokoladenseite!

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