Kreis und quer:Der letzte Cowboy aus Keferloh

Was der Bauerntag in dem Grasbrunner Weiler und Landrat Göbel mit Gütersloh zu tun haben

Kolumne von Lars Brunckhorst

Von Gütersloh weiß der Durchschnittsbayer bestenfalls, dass dort irgendwie Bertelsmann zu Hause ist, zu dem so Verzichtbares wie Brigitte, Stern und RTL gehören. Einige wenige mögen mit der Stadt in Nordrhein-Westfalen auch nützlichere Exportartikel verbinden: Pumpernickel etwa und einen nach dem Nachbarort Steinhagen benannten Wacholderschnaps sowie Miele-Waschmaschinen, aber auch den Fernsehmoderator Oliver Welke und - schlimmer - AfD-Frau Alice Weidel. Die große Mehrheit aber zweifelt im Grunde an der Existenz Güterslohs genauso wie an jener des unweit gelegenen Bielefeld.

Was ungerecht ist, denn die Stadt südwestlich des Teutoburger Waldes ist wegen ihrer schmucken Fachwerkhäuser und der jährlichen Speedcubing-Meisterschaft, bei der die Teilnehmer so schnell wie möglich die Farben von Zauberwürfeln sortieren müssen, durchaus eine Reise wert. Auch Jazz-Liebhaber schätzen die 100 000-Einwohner-Stadt, spätestens seit dort sogar mal Miles Davis und Ray Charles auftraten. Wer in den Siebzigerjahren musikalisch sozialisiert wurde, kennt die Stadt dagegen vor allem durch ein Lied der Thommie-Bayer-Band: "Der letzte Cowboy kommt aus Gütersloh", wo es in der ersten Strophe den schönen Reim gibt: "Wir trampten von Rottweil nach Southampton und von Paderborn zum Matterhorn."

Was das an dieser Stelle verloren hat? Es war diese Woche Christoph Göbel zu verdanken, dass man nach langer Zeit einmal wieder an Gütersloh dachte. Beim Keferloher Montag rief der Landrat nämlich ins brechend volle Bierzelt die Worte, die kleine Ortschaft bei Grasbrunn, "diese Lohe", habe ihre Eigenart seit Jahrhunderten erhalten. Man weiß nicht, wann man dieses schöne alte Wort zuletzt so gehört hat, und auch nicht, ob Göbel Franz Werfels "Die vierzig Tage des Musa Dagh" über den Völkermord an den Armeniern gelesen hat, wo es heißt: "Manchmal wetterleuchtete und blitzte es von der großen Lohe taghell herüber."

Tatsache ist, dass der Landrat mit seiner Wortwahl an die Herleitung von Ortsnamen aus dem mittelhochdeutschen Wort Lohe erinnerte, wie es etwa in Hohenlohe und der Aubinger Lohe vorkommt, aber eben auch in Keferloh und Gütersloh; allerdings nicht im Sinne von lodernder Flamme, sondern von Waldstück, Weideland oder Lichtung, was freilich in Zeiten, da ganze Regenwälder per Brandrodung vernichtet werden, nahe beieinander liegt. So war man auf Gütersloh gekommen, zumal nach Göbel die Landwirtschaftsministerin auf die bösen norddeutschen Großbauern schimpfte und auf deren Riesenställe und Herden. Womit man wieder - siehe Bauern und Kühe - bei dem Siebzigerjahre-Barden Thommie Bayer und seinem letzten Cowboy wäre. Wie hieß es da noch im Refrain? "Einsam und immer unterwegs knabbert er den letzten Keks. Der letzte Cowboy kommt aus Gütersloh und sucht die Freiheit irgendwo." Was das mit Göbel und Keferloh zu tun hat? Rein gar nichts.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: