Kreis und quer:Danke für nichts

Am Wochenende tritt die mit großen Verprechungen angekündigte MVV-Tarifreform in Kraft. Manche Nutzer profitieren tatsächlich von der neuen Preisliste. Andere zahlen gewaltig drauf

Kolumne Von Lars Brunckhorst

Einmal werden wir noch wach, heißa dann ist Weihnachtstag - jedenfalls beim MVV. Denn am Sonntag tritt die Tarifreform in Kraft und der Münchner Verkehrsverbund gibt das verfrühte Christkind. Glaubt man deren Marketingleuten, dann wird es für - fast (!) - alle Kunden billiger. So steht es seit Wochen auch auf den Plakatwänden an den Bahnhöfen, wo für die Reform geworben wird mit dem Versprechen: "größere Zonen und bis zu 30 % günstiger als vorher". Das ist mal eine Ansage. Wo wird heutzutage noch etwas billiger?

Noch dazu ist das mit den 30 Prozent untertrieben. Oberhachinger, die in Deisenhofen in die S-Bahn steigen und nach München zur Arbeit fahren, zahlen künftig sogar nur noch halb so viel wie bisher. Lediglich 43,50 Euro kostet sie das Monatsticket. Das sind gerade einmal 1,50 Euro am Tag. Da lohnt es sich wirklich nicht länger, den SUV aus der Doppelgarage des Einfamilienhauses zu holen. Mit den im Jahr gesparten 562 Euro lässt sich zu Weihnachten außerdem ein E-Scooter kaufen für die Strecke zum Bahnhof im neuen Jahr. Danke, MVV! Für dieses Geschenk an seine Bürger zündet Rathauschef Stefan Schelle dem MVV bestimmt eine eigene Kerze am Christbaum an.

Auf das eine oder andere Weihnachtsgeschenk muss dagegen verzichten, wer etwa in Heimstetten wohnt und jeden Tag ins Büro nach Berg am Laim pendelt. Dieser kam bisher mit einem Monatsticket für 66,60 Euro aus. Künftig muss er 88,90 Euro bezahlen - für die gleiche Strecke und gerade einmal drei Haltestellen. Das macht im Jahr Mehrausgaben von 279 Euro. Schönen Dank auch. Oder vielmehr: Vielen Dank für nichts.

Auch wenn der Kreistag beschlossen hat, diese Mehrkosten auf Antrag rückwirkend zum Jahresende zu erstatten, bleibt doch die Frage: Womit hat etwa der Oberhachinger die Bevorzugung verdient? Und was hat der Heimstettener angestellt, dass er so bestraft wird? Beim MVV zucken sie mit den Schultern und verweisen auf die Politik. Diese habe das so beschlossen. Das ist nun eine ziemlich ungenaue Schuldzuweisung. Denn die Politik gibt es nicht. Die MVV-Tarifreform kommt ja auch deshalb mit einem halben Jahr Verspätung, weil sich Kommunalpolitiker aus der Stadt und dem Umland so uneins waren. Wäre es nach den Münchnern gegangen, dann wären noch viel mehr Menschen in den Landkreisen benachteiligt worden.

Geschenke hin, Erstattungen her: Die Reform bleibt unausgegoren und ungerecht. Und sie ist vor allem eine Münchner Reform. Die Landräte haben es nicht geschafft, sich in den Verhandlungen gegen Münchens OB Dieter Reiter durchzusetzen. Mit Steuergeldern werden nun einige der Geburtsfehler der Reform teuer repariert. Auf 5,7 Millionen Euro schätzt das Landratsamt die Ausgleichskosten für die etwa 15 000 Verlierer unter den Zeit- und Abo-Karten-Besitzern allein im Landkreis München. Geld, das für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs dann fehlt.

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