Kreis und quer:Da lacht der Faschingsfeind

Lesezeit: 2 min

Die Blauen applaudieren, wenn der FC Bayern verliert und manche, wenn der Fasching ausfällt. Aber es gibt Nachhaltigeres als Schadenfreude

Glosse von Udo Watter

Manche Wesen saugen ihr Glück vornehmlich aus dem Unglück anderer. Nehmen wir Fans des TSV 1860 München: Ihr Lebensinhalt - Löwenanhänger sagen dazu gern auch Raison d'Être - besteht weniger darin, die eigenen (seltenen) Siege zu feiern als vielmehr die (noch selteneren) Niederlagen des roten Rivalen. Allerdings schwächt sich das Primat der Schadenfreude allmählich ab, die Sechzger sind so unterklassig geworden, dass der FC Bayern als Feindbild zu surreal geworden ist. Zudem gewinnen sie jetzt wieder häufiger, manchmal sogar gegen Lokalrivalen. Dazu zählt auch die SpVgg Unterhaching, die im Drittliga-Hinspiel 0:2 unterlag und kommenden Freitag auf Revanche aus ist. Ein Erfolg wäre für die nach einer Niederlagen-Serie abstiegsbedrohten Hachinger enorm wichtig.

Auch als Faschingshochburg hat Unterhaching schon bessere Zeiten erlebt. Statt am Rathausplatz ein buntes Treiben zu zelebrieren und Luftschlangen umflorte Formen der Verzückung zu erreichen, ist das närrische Tötörö aus viralen Gründen heuer ins Netz verlegt worden: Kein Ersatz natürlich, genau so wenig wie die Online-Partys des Lohhofer Faschingsclubs Weiß-Blau oder die Aktionen der Schwanecker Rittersleit, die auf Instagram Sketche zeigten, statt das Pullacher Rathaus zu stürmen. In Haar hat Bürgermeister und Karnevalist Andreas Bukowski seiner Trauer über die ausgefallene Sause mit einem Auftritt im Darth-Vader-Kostüm Ausdruck verliehen.

Die von der anderen Seite der Macht, also Menschen, die schon beim Wort "Geselligkeit" Würgereflexe kriegen und den Karneval als zwangshumoristische Beleidigung ihres Stilempfindens wahrnehmen, haben sich vielleicht besonders gefreut über den ausgefallenen Auftritt von Tollitäten und Feierbiestern. Sie müssen zwar nicht zwangsläufig synchron sein mit den Wiesnverächtern - die schon im Herbst Grund zur Schadenfreude hatten - aber eine große Schnittmenge der Gruppen liegt nahe. Das maliziöse Lächeln, das diese Antagonisten von Masseneuphorien ziert, dürfte anhalten: Auch die Starkbieranstiche, von Hubert Aiwanger 2020 bei einem Auftritt in Ismaning noch hoch gelobt ("Das Starkbier ist der natürliche Feind des Virus"), fallen ins Wasser. Die verbalen Doppelbockfotzn gibt es allenfalls noch virtuell. Man könnte nun dieser Entwicklung selbst ohne Schadenfreude aber auch Positives abgewinnen. Die feierkapitalistische Wachstumslogik, die vor der Pandemie dominierte - neue Starkbier-, Trachten- oder Burschenfeste schossen ja wie Schwammerl aus dem Boden -, ist mal untergraben worden.

Da dem Kehraus die (innere) Einkehr folgen soll, könnte man das unter "Weniger ist mehr" verbuchen und Vorfreude aufblühen lassen. Die ist eh nachhaltiger als Schadenfreude - und dazu vielleicht einen Celebrator aus Aying genießen. Auf d'Gsundheit - und bessere Zeiten.

© SZ vom 20.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: