Kreis und quer:Die ganze Welt ein Campus

Wer etwas auf sich hält, baut sich so einen. Ganz egal, ob das Feld einen solchen Namen verdient.

Kolumne von Iris Hilberth

Wie stolz waren doch die Taufkirchner, als vor zehn Jahren auf ihrer Flur der Ludwig-Bölkow-Campus gegründet wurde. Tolle Wissenschaftler, wichtige Forschung, kluge Professoren, begabte Studenten - und hin und wieder kommt sogar der Ministerpräsident vorbei und schwärmt von Luft- und Raumfahrt, ja vom Space Valley in Deutschland.

Ja, lange haben die Taufkirchner dafür gekämpft, dass der Campus auch ein Taufkirchner Campus ist, weil er eben ein Stückweit auf ihrem Gemeindegebiet liegt und man auch etwas von dem Ruhm abhaben wollte. Und am liebsten hätte Bürgermeister Ullrich Sander, der überhaupt keinen Spaß versteht, wenn seine Gemeinde vergessen oder übervorteilt wird, die Taufkirchner Ortschilder mit dem Zusatz "Campus-Gemeinde" versehen.

Den Aufwand hat er sich zum Glück gespart. Denn heute könnte er mit diesem Markenzeichen keinen Start mehr machen. Ein Campus ist inzwischen moderner Standard, gehört zum normalen Inventar einer Kommune. Wer was auf sich hält, baut sich einen Campus. Und das tun eigentlich alle. Der Landkreis München besteht nicht mehr nur aus 29 Städte und Gemeinden, sondern vor allem aus mindestens genauso vielen Campussen - was laut Duden tatsächlich so dekliniert wird.

Natürlich ist ein Campus auch rund um München nichts Neues. Wie zunächst in Amerika wurden auch hierzulande seit den Sechzigerjahren Lehr- und Forschungseinrichtungen sowie Infrastruktur einer Hochschule auf der grünen Wiese außerhalb der Stadt errichtet. Die Campusse in Garching, Neubiberg und Martinsried kennt man seit langem. Aber den Campus in Hohenbrunn? Der besteht immerhin aus dem Riemerlinger Hallenbad, dem Sportplatz und der Turnhalle und nennt sich entsprechend "Sport-Campus".

Unterhaching will jetzt Grundschule und Kubiz zum "Bildungscampus" zusammenfügen, und selbst der Bürgermeister im kleinen Straßlach-Dingharting träumt vom Schul- und Betreuungs-Campus in der Dorfmitte und würde dafür sogar sein Rathaus hergeben. Nicht zu vergessen all die Business-Campusse von Neuried bis Unterschleißheim mit ihren Arbeitswelten und Workresorts. Was allerdings der Landkreis Landshut dem Landkreis München voraus hat: Dort gibt es bereits einen Hunde-Campus. Die Betreiber werben mit dem Slogan: "Hier bin ich Hund, hier darf ich's sein!"

Dass ein Campus nicht bei jedem das Herz höher schlagen lässt, sondern bei manchem eher Schnappatmung verursacht, weiß hingegen Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle. Jüngst erreichte ihn schon wieder ein Einspruch eines Bürgers gegen die Pläne für Realschule und Fachoberschule. Neidisch schauen diese Leute wohl nach Haar, wo Ähnliches geplant war und der Campus noch immer das ist, was er wörtlich übersetzt heißt: ein Feld. Man könnte dort aber wenigsten ein paar Schafe weiden lassen, wie einst auf dem Campus Martius in Rom. Dann hätte Haar wenigstens einen echt haarigen Campus. Unter dem Motto: "Hier bin ich Schaf, hier darf ich's sein".

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