Kreis und quer:Aus Klein wird Groß

Mühlfenzl, Martin
(Foto: SZ-Grafik)

Die einstige Provinz mausert sich zum modernsten Bildungsstandort im Freistaat - aber es liegt noch viel Arbeit vor den Kreispolitikern

Von Martin Mühlfenzl

Vier Tage haben sie hinter sich gebracht in ihrer neuen Welt. Vor etwas mehr als sechs Wochen waren sie noch die unbestrittenen Chefs über den Pausenhof. Jetzt sind die einst Großen wieder die Kleinen, denen die angehenden Abiturienten in ihrer neuen Umgebung problemlos auf den Kopf spucken könnten. Könnten! Die Älteren sollen ja leuchtendes Vorbild sein für den Nachwuchs, der noch etwas schüchtern vom Musiksaal in die Turnhalle huscht. Und irgendwann in ein paar Jahren den Neuankömmlingen auf den Kopf ..., liebevoll über die Schöpfe streicheln soll.

Natürlich ist letztgenannte Vorstellung reine Utopie. Schulen sind keine Ponyhöfe und Streichelzoos und an den weiterführenden beginnt stets so etwas wie der Ernst des Lebens, das Erwachsenwerden. Diese Metamorphose, die Hunderte Schüler Jahr für Jahr von Unterschleißheim über Ottobrunn bis Grünwald mit dem Eintritt in die fünfte Jahrgangsstufe beginnen, durchlebt auch der Landkreis. Er war ja selbst mal ein kleiner - nicht flächenmäßig, sondern von in seiner Entwicklung. Es ist gerade mal ein paar Jahrzehnte her, da gab es nur ein Gymnasium - Anfang der Sechziger in Gräfelfing. Vielfach waren es die Eltern, die ihre Kinder mitten im Wirtschaftswunder nicht mehr aus der "Provinz" in die altehrwürdigen Bildungseinrichtungen der Landeshauptstadt schicken wollten. So schreibt die ehemalige Vorsitzende des Fördervereins, Barbara Klingan, in der Chronik des Ottobrunner Gymnasiums. Landkreis-Schulen sollten und mussten her. Und tatsächlich erlebte der Kreis in den Siebzigerjahren einen wahren Boom - den ersten Quantensprung in seiner bildungspolitischen Entwicklung: Aus dieser Zeit stammen die Gymnasien in Ottobrunn, Unterschleißheim, Unterhaching, Oberhaching, Garching, Neubiberg, Haar und Planegg. Es war eine Transformation vom idyllischen Dorfschulleben hin zu einer - für damalige Verhältnisse - modernen Bildungslandschaft.

Jetzt ist es an der Zeit, dass der zweite Quantensprung erfolgt. Freilich kamen nach der gymnasialen Blütezeit weitere Schulen hinzu: In Höhenkirchen, Grünwald, Kirchheim. Aschheim und Unterföhring werden nun folgen, Ismaning ist im Bau, Sauerlach im Gespräch. Ja, unter Landrat Christoph Göbel und seiner Vorgängerin Johanna Rumschöttel hat eine neue Dynamik eingesetzt, mit der die Landeshauptstadt kaum Schritt halten kann. Die einstige Provinz steht davor, sich zum modernsten und am stärksten prosperierenden Bildungsstandort des Freistaats zu mausern, der immer mehr Eltern in München veranlasst, ihre Kinder aufs Land zu schicken. Dennoch wird auch der Landkreis beim Bau neuer Realschulen, Gymnasien und Fachoberschulen noch stärker aufs Tempo drücken müssen. Das zeigt sich jedes Jahr am ersten Schultag, wenn sich immer mehr Kleine anschicken, groß zu werden.

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