Kreis und quer:Aber schee is' scho

Lesezeit: 1 min

Besonders cool oder sexy ist der Landkreis eher nicht. Doch das Umland glänzt, wenn München leuchtet

Von Udo Watter

So allmählich bequemt sich jetzt auch der Mai, seinem Ruf als Prince Charming unter den Monaten gerecht zu werden. Zwischen den hartnäckig wiederkehrenden Regenwolken setzt sich die Frühlingssonne immer öfter durch und taucht die oberbayerische Szenerie in dieses warme, klare Licht des Südens, das eine besondere Weite atmet. Stadt und Land wirken dann besonders dekorativ. Gleichwohl: Richtiger Sex-Appeal braucht mehr als hübsche Fassade und Schauwerte. Gerade die Stadt München hat ja in dieser Hinsicht ein Imageproblem, in schöner Regelmäßigkeit wird ihr vorgeworfen, langweilig, wohlstandssatt und spießig zu sein. Ein deutscher Bürgertraum optimierter Mittelmäßigkeit mit einem Schuss Schickimicki.

Wie sexy, cool oder spießig ist aber eigentlich der Landkreis München? Ein Landkreis, der als zukunftsfähigster Deutschlands gilt und zu den reichsten wie größten der Republik zählt? Oder ist die Frage a priori ein Schmarrn? Was hält den Kreis zusammen? Kann man überhaupt von einem irgendwie einheitlichen Lebensgefühl sprechen, das in dieser twilight zone zwischen Großstadt und tieferer Provinz herrscht? Der Landkreis-Bewohner lebt ja ein bisschen im Schwellenzustand, im Spannungsfeld zwischen Urbanität und Gartenstadt, Hochhäusern und Mittelzentrumsarchitektur, Großgewerbegebieten, Wald und Hügeln. Klar ist: Was der Stadt vorgeworfen wird, gilt teils auch fürs Umland. Die fettleibigen SUVs, die das Ortsbild einiger südlicher Gemeinden bestimmen, sind definitiv nicht sexy. Genau so wenig kann man manch Neureichenvilla oder Ortszentrum als Zierden der Stilsicherheit bezeichnen. Überbordendes Statusbewusstsein und bürgerliche Konventionalität gibt es hier natürlich auch. Manche Landkreisgemeinden sind freilich urbaner als die benachbarten Stadtteile: Gegen Haar wirkt Trudering dörflich, auch Unterschleißheim oder die Taufkirchner Hochhaussiedlung am Wald haben - bei aller möglichen Kritik an der Optik - ein gewisses städtisches Flair. Firmensitze wie Infineons Campeon bei Neubiberg oder der Medienstandort Unterföhring sind ebenfalls alles andere als ländlich. Auf der anderen Seite darf ein Landkreis ja mit ländlichen Qualitäten punkten. Konkret gesagt: Die Natur zeigt sich hier schon auch von ihrer besonders schönen Seite. Das Isartal im Süden, die Auenlandschaft entlang des Flusses bei Ismaning und Garching, das Gleißental oder die ersten Voralpenhügel bei Aying.

Der Landkreis München. A bisserl Stadt, a bisserl Land. Ein besonders schönes Beispiel für den Charme der Heterogenität? Besonders cool oder sexy ist er eher nicht. Genau so wenig wohl wie die kleine Weltstadt nebenan. Aber schee is' scho - wenn München leuchtet und das Umland glänzt.

© SZ vom 13.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: