Korruption in der Politik:Das Risiko ist hoch

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Dass sich Beamte Geld in die eigene Tasche stecken, wird von Kommunalverwaltungen so schwer wie möglich gemacht.

(Foto: Heiko Wolfraum/dpa)

Regensburg ist überall? Nein, heißt es in Rathäusern und Landratsamt. Klare Regeln und das Vier-Augen-Prinzip sollen Bestechung und Bestechlichkeit vorbeugen. Doch Fälle von Korruption gibt es auch im Landkreis

Von Iris Hilberth

Regensburgs Oberbürgermeister sitzt seit kurzem in Untersuchungshaft. Er soll sich von einem örtlichen Bauunternehmer bestechen haben lassen. Auch gegen seinen Vorgänger gibt es Bestechungsvorwürfe. Sind Kommunalpolitiker käuflich? Nehmen Unternehmen Einfluss auf Ausschreibungen und Auftragsvergaben von Kommunen?

Laut der Nicht-Regierungsorganisation Transparency, die diese Woche ihren neuesten "Korruptionswahrnehmungsindex" veröffentlicht, liegt Deutschland unter 176 Ländern auf Platz zehn, nur die Finnen, Dänen, Neuseeländer und einige wenige andere Länder haben die Korruption besser im Griff. Dennoch stellt die Organisation der Integrität der deutschen Wirtschaft kein gutes Zeugnis aus: "Führungskräfte aus deutschen Unternehmen nehmen es als zunehmend normal wahr, dass irreguläre Zahlungen an Verwaltungen gemacht werden, um bestimmte Vorgänge zu beschleunigen oder erst möglich zu machen."

Alles sei ganz klar geregelt

Nach der Aufdeckung der Korruptionsaffäre in Regensburg glaubt man das sofort. Also: Wie ist es um Bestechung und Bestechlichkeit in den Amtsstuben der Rathäuser bestellt? Welche Lücken lassen die Ausschreibungspraxis und Korruptionsverhütung, um einem spendablen Baulöwen den Zuschlag für ein Großprojekt zu geben?

"Keine", sagt Simon Hötzl, Rathaussprecher in Unterhaching. Vergabeverfahren seien alle ganz klar geregelt, und damit bei dieser doch recht komplizierten Materie möglichst keine Fehler passierten, habe die Gemeinde Unterhaching eine eigene Stelle für Ausschreibungen und Vergaben. Bei besonders großen Projekten hole man sich zusätzlich externe Unterstützung. Zudem gebe es noch die Kommunalaufsicht im Landratsamt, die ein Auge darauf habe.

Dennoch läuft mitunter bei einer Ausschreibung etwas schief. Unterhaching musste etwa bei der Planung des Schulneubaus an der Fasanenstraße neu ausschreiben, da die Gemeinde wegen eines Fehlers von der Aufsichtsbehörde gerügt wurde. Am Ende haben weder der ursprüngliche Sieger noch der Beschwerdeführer gewonnen, sondern ein dritter Anbieter.

Nicht immer kommt der Billigste zum Zug

Dass automatisch der billigste Anbieter zum Zug kommt, so einfach ist es nämlich nicht. "Es geht um den wirtschaftlichsten", erklärt die Ismaninger Bauamtsleiterin Waltraud Fischer. Schließlich gelte der Grundsatz: "Wer zahlt, schafft an." Und da gebe es manchmal gute Gründe für den Ausschluss manches Bewerbers, zum Beispiel weil dieser als schwarzes Schaf bekannt sei. "Der Kommunale Prüfungsverband schaut da schon genau hin."

Dass Ausschreibungen höchst komplex sind, macht das Landratsamt deutlich. Um ein Ausschreibungsverfahren gesetzeskonform abzuwickeln, gebe es Regeln wie das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge, die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen und das Haushaltsrecht.

In den Hinweisen zur Verhütung von Manipulation ist etwa festgelegt, dass Bewerbervorschlagslisten "häufig" zu verändern sind, damit bestimmte Unternehmen nicht bevorzugt werden. Auch muss unmittelbar nach dem Eröffnungstermin geprüft werden, ob Auffälligkeiten den Schluss zulassen, dass das Wettbewerbsergebnis verfälscht werden soll.

Beim Fehlen von Kommas sollten die Alarmglocken schrillen

Bei leeren oder doppelt vorhandenen Seiten, einem ungewöhnlichen Schriftbild, einer auffällige Anordnung, seltsamen Ziffern oder großen Zwischenräumen, ja selbst beim Fehlen von Kommas sollten die Alarmglocken bei den Bediensteten in der Behörde angehen. Verdächtig ist etwa ein Strich statt einer Eins. Daraus lässt sich schnell eine Vier, Sieben oder Neun machen. Auch unangemessen hohe und niedrige Einzelpreise und auffällige Preisunterschiede bei nahezu gleicher Leistung sind verdächtig.

"Es gilt bei uns das Vier-Augen-Prinzip", sagt Pullachs Pressesprecherin Swantje Schütz. Zudem würden die Unterlagen gestanzt und leere Seiten als solche markiert, um Manipulationen zu vermeiden. Eine solche Vorgehensweise bestätigt Ullrich Sander, Bürgermeister von Taufkirchen. Er hat zudem für seine Angestellten die Richtlinien zusammengefasst und wichtige Details konkretisiert. "Viele Mitarbeiter sind direkt mit Ausschreibungen befasst, es geht ja nicht immer nur um große Bauvorhaben", sagt er und fragt: "Wo ziehe ich bei der Bestellung von Kugelschreibern die Grenze?" Es sei schließlich ein Unterschied, ob man drei oder 10 000 Stifte kaufen müsse.

Bei der Vergabe der Stromkonzession musste Taufkirchen erst kürzlich die Ausschreibung wieder aufheben. Sie war rechtswidrig. Jetzt läuft das Verfahren erneut. Ähnlich ist es in Pullach. Die Eon-Tochter Bayernwerk hat der Gemeinde mangelnde Transparenz und Fairness bei der jüngsten Ausschreibung vorgeworfen. Das Verfahren muss Pullach zwar nicht wiederholen, über den Kaufpreis des Netzes wird aber noch gestritten.

In Ismaning kam es schon zu einem Strafbefehl

Vorgänge, bei denen der Vorwurf der Bestechung im Raum stand, liegen im Landkreis aber einige Jahre zurück. Der ehemalige Grasbrunner Bürgermeister Wilhelm Dresel hatte 2001 von einem Bauwerber 400 000 Euro Spendengeld an die Gemeinde für eine Baugenehmigung verlangt. In Ismaning hatte sich der damalige Bauamtsleiter den Keller seines Privathauses ausbauen lassen, ohne dafür zu bezahlen. Er sprach von einem Freundschaftsdienst eines Tennisfreundes - der allerdings in der Baubranche für die Gemeinde tätig war. Die Staatsanwaltschaft erließ damals einen Strafbefehl.

Schon im Jahr 2004 hat der Freistaat eine "Korruptionsbekämpfungsrichtlinie" erlassen. Das Landratsamt München hat diese im Wesentlichen übernommen. Damit sollen die Beschäftigten für korruptionsgefährdete Situationen sensibilisiert werden, bei der Genehmigung von Nebentätigkeiten wird genau hingesehen. Es gilt die transparente Aktenführung und das Mehr-Augen-Prinzip. "Die Richtlinie zielt insbesondere darauf, das Entdeckungsrisiko hoch zu halten. Ein hohes Entdeckungsrisiko kann potenzielle Täter abschrecken", sagt Behördensprecherin Christina Walzner. Zudem gebe es einen eigenen Ansprechpartner für Korruptionsprävention. Er sei weisungsunabhängig und direkt dem Landrat unterstellt.

"So exakt wie bei großen Behörden lässt sich die Richtlinie in kleineren Rathäusern jedoch nicht umsetzen", gibt Taufkirchens Bürgermeister Sander zu bedenken, "da fehlt manchmal schlichtweg das Personal dazu". Doch selbst mit noch so ambitionierten Dienstanordnungen ist keine Kommune vor Korruption gefeit. So hatte sich ausgerechnet in Regensburg der Stadtrat vor vier Jahren einen "Ehrenkodex" gegeben.

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