Konzert:Stilsicher bis zum Ende

Konzert: Mitreißende Spielfreude: Das David Orlowsky Trio.

Mitreißende Spielfreude: Das David Orlowsky Trio.

(Foto: Claus Schunk)

Das David Orlowsky Trio, das mit innovativer Klezmermusik bekannt wurde, zeigt auf seiner Abschiedstournee in Grünwald noch mal seine Klasse

Von Udo Watter, Grünwald

Der jüdische Klarinettist Naftule Brandwein war eine so schillernde wie unbescheidene Figur. In Galizien geboren, emigrierte er als junger Erwachsener 1908 in die USA, wurde in New York ein Star des Klezmer und bezeichnete sich selbst als "King oft Jewish Music." Abgesehen davon, dass er sich in puncto Freizeitverhalten häufig von seinem Nachnamen inspirieren ließ, war er dafür bekannt, bei schweren Stellen mit dem Rücken zum Publikum zu spielen, weil er Angst hatte, dass ihm ein Konkurrent seine Fingergriffe abschauen könnte. Einmal wäre er auf der Bühne fast gestorben, als er einen Anzug mit elektrischen Kerzen trug und so stark schwitzte, dass es zu einem Kurzschluss kam.

David Orlowsky würde sich zu einer geschmacklich derart fragwürdigen Gewandung wohl nie hinreißen lassen. Der 1981 in Tübingen geborene Klarinettist ist nicht nur stilsicher gekleidet, sondern hat auch eine sportive Körpersprache, wenn er auf seinem Instrument rhythmisch in die Vollen geht. Als das David Orlowsky Trio im August-Everding-Saal ein Medley aus drei Stücken von Naftule Brandwein spielt, ist das auch wieder gut zu sehen. Die Anmut, die seinem Spiel innewohnt, die hoch virtuose Lust, zusammen mit Gitarrist Jens-Uwe Popp und Bassist Florian Dohrmann die prägenden Stücke des Klezmerkönigs in einen eigenen, charakteristisch-modernen Sound zu transportieren, geht scheinbar leichtfüßig mit der Show auf der Bühne einher - an einer Stelle dreht sich David Orlowsky verschmitzt um und spielt als Hommage an Brandwein kurz mit dem Rücken zum Publikum. Dasselbe macht Dohrmann kurz darauf... nicht dass ihm noch ein anwesender Grünwalder Kontrabassist was von seinem Pizzicatospiel abguckt. Packend ist das, kurz mal melancholisch, dann wieder von treibender Rhythmik, stets kitschfrei, auch wenn man sich selber die kitschverdächtige Vorstellung gönnt, wie ein Chassid mit wirbelnden Schläfenlocken durch die Gassen eines Stettl tänzelt. Gegen Ende lässt Orlowsky seine Klarinette geradezu kichern.

Ja, nicht nur er, alle drei Musiker hatten sichtlich (und hörbar) Spaß. Bekannt für ihre versierte Kombination aus klassischer Klangkultur und jazziger Rhythmik, die aus dem folkloristischen Geist des Klezmer schöpft, sind sie seit mehr als 20 Jahren auf der Bühne unterwegs - vielfach prämiert und stilbildend im Bereich Weltmusik. Im Herbst 2019 ist es aber vorbei mit dem Trio: Jeder der drei wird eigene musikalische Wege gehen, daher war das Konzert in Grünwald auch eine der letzten Gelegenheiten, sie zusammen live zu erleben. In ihrem Abschiedsprogramm "Milestones" spielten Popp, Dohrman und Orlowsky auch etliche wichtige Eigenkompositionen aus den vergangene Jahren. Ob in Popps "Insomnia", das nicht zuletzt Erfahrungen von zwei Wochen als Bordkapelle auf einem Kreuzfahrtschiff verarbeitet, über Dohrmanns wild tänzelndem "Ultimate Bulgar" oder Orlowskys expressiven, leisen Kompositionen - dieses Trio hat einen speziellen Klang und eine Interpretationsart entwickelt, die sich nicht in eine Schublade stecken lassen - sie selber nennen es "Chamber. World.Music". Orlowsky entfaltet neben stupender Technik auch immer wieder seine samtweich angeblasene Pianissimo-Kunst, warme Klangfarben, die quasi aus der Stille kommen und wieder in sie zurückschweben. Beeindruckend ist auch, wie versiert das Changieren zwischen kontrastiven Dynamiken gerät. Dabei zeigen auch Dohrmann und Popp die Vielfalt ihrer Klasse - perkussiver, treibender Groove einerseits, aber auch berührende schwebende Gitarrenklänge andererseits oder fast Didgeridoo-artige, dunkle Klangfarben, als der manuell begnadete Dohrmann mal zum Bogen greift. Orlowsky ist dazu noch ein charmanter Moderator, der nicht nur die Akustik des Saals lobte ("legendär"), sondern auch augenzwinkernd die Musikalität des Publikums. Dass der Mann mal ins Schwitzen kommt, kann man sich kaum vorstellen.

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