Konstantin Wecker: Interview:"Sollen die Normalverdiener rausziehen?"

Vom Aussterben bedroht: Kneipen vom Schlag der "Schwabinger Sieben" gibt es in München kaum noch. Elf Künstler treten am Dienstag bei einer Protestaktion zur Rettung des Kultlokals auf, unter ihnen Konstantin Wecker.

Franz Kotteder

Der bevorstehende Abriss des Ensembles in der Feilitzschstraße rund um die Kneipe "Schwabinger Sieben" sorgt für Diskussionen darüber, wie sehr sich das Viertel zu verändern droht. An diesem Dienstag findet von 18.30 Uhr an eine Protestveranstaltung an der Münchner Freiheit statt, initiiert vom Kleinkunstveranstalter Till Hofmann, der unter anderem die Lach- und Schießgesellschaft und das Lustspielhaus betreibt. Unter dem Motto "Rettet die Münchner Freiheit - für ein kulturelles Schwabing" treten dort zahlreiche Künstler auf, unter ihnen Hannes Ringelstetter, Georg Eggers, Willy Michl, Michael Sailer, Moses Wolff, Sven Kemmler, Frank-Markus Barwasser alias Pelzig und Andreas Rebers. Auch Konstantin Wecker ist dabei.

Konstantin Wecker: Interview: "Wir haben ein Recht, uns zu empören": Konstantin Wecker unterstützt die Demo gegen den Abriss der 'Schwabinger 7'. Die Kneipe gehört für ihn zu den letzten Zeugen der wilden Schwabinger Zeit.

"Wir haben ein Recht, uns zu empören": Konstantin Wecker unterstützt die Demo gegen den Abriss der 'Schwabinger 7'. Die Kneipe gehört für ihn zu den letzten Zeugen der wilden Schwabinger Zeit.

(Foto: Stephan Rumpf)

Herr Wecker, wann waren Sie zuletzt in der "Schwabinger Sieben"?

Das ist jetzt ungefähr ein halbes Jahr her... Das Publikum ist inzwischen zwar sehr jung geworden, aber ein paar von meiner Generation hängen da schon noch rum. Ich kenne die Kneipe seit den siebziger Jahren, und seit ich hier wohne, bin ich, schon aus nostalgischen Gründen, immer wieder mal hingegangen. Von der Art gibt es nicht mehr viel. Vielleicht noch das Fendstüberl. Das und die Sieben, das sind so die letzten Zeugen aus der wilden Schwabinger Zeit.

Ihre Karriere hat ja vor allem in Schwabing begonnen. Wie viel von den alten Auftrittsorten gibt's denn noch?

Praktisch nichts mehr. Angefangen habe ich im Nowak, in der Haimhauserstraße, dann im Grünen Eck. Damals gab's noch das Song Parnass, das Atelier Jean in der Leopoldstraße, da haben der Willy Michl gespielt und der Hanns Dieter Hüsch. Und dann natürlich der Marienkäfer! Da hat meine Karriere eigentlich erst richtig begonnen. Wir haben da ein paar Tage gespielt, und eines Abends stand da zum ersten Mal eine Schlange an der Kasse: ein schönes Gefühl!

Seit wann wohnen Sie in Schwabing?

Seit mein Sohn Tamino geboren wurde, das ist jetzt elf Jahre her. Wir haben damals lange nichts gefunden, meine Frau war schwanger, und wir kamen uns schon vor wie die Heilige Familie auf der Flucht... Wir hatten dann wirklich Glück mit einem Vermieter, der das Haus schon aus nostalgischen Gründen nicht verkauft. Aber gegenüber werden jetzt auch schon Appartements gebaut.

Mit der Veränderung von Stadtvierteln, der sogenannten "Gentrifizierung", hatten Sie ja als gebürtiger Leheler schon früh Bekanntschaft gemacht.

Genau. Für mich als Kind war das Lehel ja wie ein Dorf: Runter nach Schwabing zu radeln, das war schon fast ein Tagesausflug. Damals war das Viertel noch unglaublich lebendig. Alles, was man zum Leben brauchte, bekam man. Und heute? Im Grund ist bloß noch der "Mariannenhof" übriggeblieben. Dort hab ich als Kind noch mit dem Maßkrug Bier an der Gassenschänke geholt. Im Lehel kam es dann so: Ein Haufen Leute haben sich da Wohnungen gekauft, die gar nicht dort wohnen. Das war für die einfach eine Geldanlage. München ist für viele reiche Menschen halt oft nur eine Geldanlage. Das kann's aber wohl nicht sein.

Ein Recht auf Empörung

München wird also zu edel?

Ich finde, was sich Berlin erlaubt, das kann sich auch München erlauben. Gegenüber der Sieben sind zum Beispiel zwei Etagen edle Fitnessstudios hingebaut worden. Müssen die wirklich sein? Warum muss man denn alles, was einen nicht allzu noblen und allzu reichen Touch hat, eliminieren? Der Till Hofmann hat's mit seinen Läden geschafft, dass diese Ecke von Schwabing wieder zu einem kulturellen Zentrum geworden ist mit angenehmen Menschen. Nicht nur eine Saufzone wie zuvor, wo die Besoffenen rumgewankt sind. Aber wenn man hier jetzt ausschließlich ans Geld denkt, dann geht wieder ein Stück Leben verloren. Ist das die Zukunft der Städte? Sollen die Normalverdiener rausziehen?

Bei der Demo an diesem Dienstag treten nach derzeitigem Stand elf Künstler auf. Was darf man sich da erwarten?

Ich bin auch gespannt. Till Hofmann hat mich vor ein paar Tagen per SMS gefragt, ob ich zur Demo komme. Dass ich dort auftrete, habe ich erst aus der Zeitung erfahren (lacht). Aber nachdem der Willy Michl auch da ist, werden wir uns sicher zusammen was einfallen lassen.

Kann man sagen, der Protest hat gegenwärtig wieder Konjunktur?

Ich sehe zurzeit wirklich eine große Chance. Die letzten 20 Jahre hatten es gewisse ideologische Kreise des Neoliberalismus geschafft, den Menschen einzureden, dass jede Form von Empörung und Engagement nicht sexy, sondern uncool ist. Das ist seit einiger Zeit vorbei, habe ich das Gefühl. Ich glaube es ist so weit, dass man wieder demokratischer denkt und sich sagt: Wir haben ein Recht, uns zu empören. Wir sind die letzten 20 Jahre ja auch überrollt worden von so viel Ungerechtigkeiten. Man will keine neuen Ideologien, man will keine neue Welt - man will einfach nicht mehr so viele Ungerechtigkeiten.

Sehr aussichtsreich ist die Protestaktion in Schwabing nicht, der Abriss ist ja beschlossene Sache.

Es geht ums Tun und nicht ums Siegen, hab' ich mal zum Thema Weiße Rose geschrieben. Natürlich werde ich immer wieder gefragt, was ich denn bewirkt habe mit meinen Liedern. Wenn ich zum Beispiel mit Hannes Wader unterwegs bin, wir zwei Dinos der Empörung... Klar, ich könnte mir größere Erfolge vorstellen. Aber man kann es auch andersrum sehen: Was wäre, wenn sich nicht so viele Leute gewehrt hätten? Dann wär's noch wilder. Dann hätten wir vielleicht auch politische Zustände wie in Ungarn.

Im Fall der Feilitzschstraße ist so oder so wenig zu machen, wenn die Stadtverwaltung die Pläne genehmigt.

Vielleicht ist das Vorhaben einfach zu spät an die Öffentlichkeit gelangt - so ähnlich wie im Fall von Stuttgart 21? Da muss man sich wohl mal überlegen, wie so etwas eher bekannt zu machen ist. Vielleicht braucht man da künftig auch eine Art Frühwarnsystem.

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