Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl:Mit dem Reißverschluss in den Kreistag

Die CSU und die Grünen haben ihre Listen aufgestellt und dabei eine paritätische Verteilung zwischen Frauen und Männern hinbekommen. Christoph Nadler ist Landratskandidat der Grünen.

Von Iris Hilberth

Listenaufstellungen für Wahlen sind unter Parteifreunden meist eine heikle Angelegenheit. Regionalproporz, Ausgewogenheit von Männern und Frauen, Berücksichtigung verschiedener Generationen und Berufsgruppen müssen genauso beachtet werden wie prominente Namen und Chancen für Neulinge. Die CSU und die Grünen haben im Landkreis München dieses Wochenende das Puzzle der 70 Namen für die Kreistagsliste, wie beide Kreis-Vorstände meinen, bestmöglich gelöst.

Wie zu erwarten führt bei den Christsozialen Landrat Christoph Göbel die Liste an, bei den Grünen steht traditionell eine Frau an erster Stelle, und das ist im Landkreis Susanna Tausendfreund, die Bürgermeisterin von Pullach, gefolgt von Christoph Nadler, der bei der Aufstellungsversammlung zudem mit 95 Prozent der Stimmen zum Landratskandidaten gewählt wurde. "Hundert Prozent gibt es bei den Grünen nie", sagt Nadler und zeigte sich überaus zufrieden mit zwei Gegenstimmen und zwei Enthaltung bei 82 Teilnehmern. "Es waren doppelt so viele Leute da wie vor der vergangenen Wahl vor sechs Jahren", Nadler freute sich darüber und wertete das schon mal als gutes Zeichen.

Beide Parteien wollen ein Zeichen für Verjüngung setzen

Beide Parteien wollen mit ihrer Liste für die Kommunalwahl am 15. März 2020 die Verjüngung in ihrer Reihen demonstrieren. "Wir haben bewusst junge Leute nach vorne gesetzt", sagte der 63-jährige Nadler und verweist auf den 29-jährigen Philipp Bauer aus Garching, der sich hinter der Unterhachinger Landtagsabgeordnete Claudia Köhler (52) auf Rang vier einreiht. Auch Sabine Pilsinger (Gräfelfing) auf Rang fünf ist erst 30, und hinter dem 46 Jahre alten Landtagsabgeordneten Markus Büchler folgen auf Platz sieben und acht mit Christina Risinger (27) aus Ismaning und Johannes Rohleder (20) aus Unterschleißheim zwei noch wenig bekannte grüne Nachwuchsleute. "Klimaschutz, Verkehrswende, Energiewende: Diese Themen betreffen die nächsten Generationen elementar. Darum ist es uns besonders wichtig, junge Menschen in den Kreistag einzubinden", sagt der Kreisvorsitzende Volker Leib.

Die Grünen sehen sehr viel Wählerpotenzial bei den jungen Leuten, "denen wollen wir auch ein personelles Angebot machen", sagt Nadler. Derzeit ist die Partei mit elf Kreisräten in dem Gremium vertreten, "unser Ziel ist nach oben offen", so Fraktionsvorsitzender Nadler, der auf zwanzig Prozent plus X hofft. Bis zu 25 Prozent hält er ob der derzeitigen Umfragen für realistisch, das entspräche dann 17 bis 18 Sitzen im Kreistag.

Anders als die Grünen, die in einer fünfstündigen Marathon-Sitzung in München über die ersten 25 Listenplätze einzeln diskutiert und abgestimmt haben, gehen bei der CSU zahlreiche regionale Sitzungen der eigentlichen Aufstellungsversammlung voraus, bei denen die Liste "gezimmert" wird, wie Kreisvorsitzender Florian Hahn sagte. "Es gibt einige unter euch, die deshalb enttäuscht sind - das verstehe ich sehr gut - und die trotzdem bereit waren, sich weiter hinten einzureihen", betonte er in seiner Rede vor den Delegierten in Aschheim. So habe man eine Verjüngung hinbekommen, Hahn verweist auf zehn Kandidaten unter 35 Jahre. Hinter der bayerischen Sozialministerin Kerstin Schreyer (48) aus Unterhaching, dem Putzbrunner Bundestagsabgeordneten Hahn (45) auf den Rängen zwei und drei, folgen zunächst weitere erfahrene Kreispolitiker: Karin Hobmeier (47) aus Ismaning, Landtagsabgeordneter Ernst Weidenbusch (56) aus Haar, Ilse Weiß (67) aus Neuried und auf Rang sieben CSU-Fraktionschef und Bürgermeister von Oberhaching, Stefan Schelle. Die Plätze acht bis zehn belegt ein Trio der Jungen Union (JU): Nicola Gehringer (29), die JU-Kreisvorsitzende, Thomas Pardeller (31), beide aus Neubiberg, und die Grünwalderin Annabella Wünsche (28).

CSU will keine männlich dominierte Partei sein

Erstmals hat sich die CSU auferlegt, die Liste nach dem Reißverschlussverfahren aufzustellen, sodass sich Männer und Frauen abwechselnd einreihen, "um vollständige Parität herzustellen", wie Hahn betont. Zwar habe die CSU bei den Wahlen 2008 und 2014 die Plätze schon zu 50 Prozent an Frauen vergeben. Doch so richtig aufgefallen ist das nicht. "Die CSU wird immer noch in die Schublade gesteckt, eine männlich dominierte Partei zu sein, obwohl das faktisch nicht der Fall ist", so Hahn. Das wolle man konsequent sichtbar machen. Probleme, genügend Kandidatinnen zu finden, habe es jedenfalls nicht gegeben. "Wir hätten eine zweite Liste aufstellen können", sagt der Kreisvorsitzende.

Dass nicht alle Männer glücklich mit der Reißverschluss-Entscheidung des Kreisvorstands waren, überrascht nicht. "Es ist klar, dass man - wenn man sich solche Ziele setzt - bei manchen Kandidaten Überzeugungsarbeit leisten muss", sagt Landrat Göbel. Über die beschlossene Reihung ist der Gräfelfinger "sehr zufrieden". Er spricht von einer "sehr guten, respektablen" Mannschaft, mit der er hofft, die Stärke der CSU-Fraktion im Kreistag noch auszubauen. Derzeit besteht sie aus 29 Sitzen plus dem Landrat. "Es wird nicht einfach, zumal sich unsere Gesellschaft im Wandel befindet und sich die Stimmen des bürgerlichen Klientels weiter verteilen", so Göbel. Aufmerksamkeit erregen kann die CSU auf jeden Fall mit dem Kandidaten auf Listenplatz 70: Hier tritt Franz Josef Strauß an. Der Namensvetter des einstigen Parteivorsitzenden kommt aus Aying und soll mit seinen 33 Jahren auch zur Verjüngung in Göbels Team beitragen.

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SZ vom 14.10.2019/hilb
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