Kommunalwahl im Landkreis München:Wahlsagerei

Glaskugel München Süd 1 ET 14.3.2020

Illustration: Alper Özer, imago/Panthermedia

Wer wird Landrat? Welche Bürgermeister werden wieder- oder abgewählt? Die SZ wagt vor der Stimmabgabe am Sonntag einen Blick in die Kristallkugel.

Von Lars Brunckhorst

Das berühmteste Beispiel dafür, dass man Vorhersagen mit Vorsicht genießen sollte, ist bekanntlich Krösus, der reiche letzte König von Lydien, der übel auf das Orakel von Delphi hereinfiel. Bevor er 546 vor Christus gegen den Perserkönig Kyros II. zu Felde zog, hatte er die antike Weissagungsstätte um Rat gefragt und dort die Auskunft erhalten: Wenn er den Fluss Halys überschreite, werde er ein großes Reich zerstören. Am Ende war es nicht, wie er meinte, das Perserreich, sondern sein eigenes.

Zweifel an der Verlässlichkeit von Prognosen haben aber auch Ereignisse der jüngeren Historie genährt. Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten ist eines, das maßgeblich dazu beigetragen hat, dass den Aussagen von Demoskopen heute nicht mehr blindlings vertraut wird - im Gegensatz zu jener Zeit, als der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger das Meinungsforschungsinstitut in Allensbach mal als Orakel vom Bodensee bezeichnete. Dabei bieten Demoskopien im Großen und Ganzen eine recht verlässliche Basis für Prognosen.

Viel schwieriger sind Wahlvorhersagen daher, wo es keine Meinungsumfragen gibt. Das ist, im Gegensatz zu Landtags- und Bundestagswahlen, etwa bei den Kommunalwahlen so, zumindest außerhalb der großen Städte, also den meisten. Da sich zudem viele Menschen im Alltag wenig mit der Kommunalpolitik beschäftigen und auch der Wahlkampf von vielen wichtigen nationalen und internationalen Themen überlagert wird - aktuell vor allem dem Coronavirus -, ist fraglich, wie viele Wähler ihre Entscheidung auf der Basis von fundierten Informationen fällen. Zwar haben die zahlreichen Kandidatendiskussionen im Landkreis München großen Zulauf gefunden - allein die SZ veranstaltete sechs und erreichte mit ihnen mehr als dreitausend Zuhörer; am Ende werden aber viele wieder ihr Kreuz in der Wahlkabine oder am Küchentisch machen, weil ihnen der eine Kandidat sympathischer ist als der andere.

Dennoch soll an dieser Stelle ein Blick in die Kristallkugel gewagt werden: Wie werden die Wahlen am Sonntag im Landkreis, bei denen die Bürgermeister, die Gemeinde- und Stadträte, der Kreistag und der Landrat für die kommenden sechs Jahre bestimmt werden, wohl ausgehen? Drei Prognosen - ohne Gewähr.

Es wird grüner

Alles deutet darauf hin, dass die Grünen auch bei der Kommunalwahl von ihrem Höhenflug getragen werden und der Landkreis damit grüner wird. So könnte die Partei durchaus zweitstärkste Kraft im Kreistag werden. Bisher sind die Grünen dort mit elf von 70 Sitzen die Nummer drei hinter der SPD. Diese muss dagegen befürchten, mindestens auf den dritten Platz abzurutschen, wenn nicht sogar auf den vierten hinter den Freien Wählern. Dass die CSU landkreisweit stärkste Kraft bleibt, steht außer Zweifel. Ob es allerdings wieder 41,5 Prozent werden wie 2014, ist fraglich.

Kommunalwahl im Landkreis München: undefined

Damals hatten die Christsozialen mit Ausnahme von Unterföhring, wo die SPD vorne lag, in allen Landkreiskommunen die meisten Stimmen gewonnen. Dieses Mal könnte es in der schwarz gefärbten Landkarte durchaus einige bunte Einsprengsel geben: etwa in Ismaning, wo die SPD dank ihres Bürgermeisters Alexander Greulich stark ist, oder in Pullach und Baierbrunn, wo die Grünen schon vor sechs Jahren sehr gute Ergebnisse erzielt haben. Auch steht zu erwarten, dass die AfD, die erstmals antritt, in den Kreistag einzieht - als siebte Kraft, wenn FDP und ÖDP der Wiedereinzug gelingt. Für die Stadt- und Gemeinderäte gilt die Annahme, dass die Grünen über den Landkreis hinweg wohl Sitze hinzugewinnen, die SPD dagegen eher verlieren wird. Und auch die CSU könnte Sitze an die vielen parteifreien Gruppierungen abgeben müssen.

Viele zweite Runden

Die Wähler im Landkreis werden in zwei Wochen aller Voraussicht nach noch einmal zu den Urnen gehen müssen. So rechnet sogar Landrat Christoph Göbel (CSU) selbst damit, dass er sich wegen seiner vielen Herausforderer einer Stichwahl stellen muss, weil am Sonntag niemand von den sechs Kandidaten im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der Stimmen erhält. Die spannende Frage ist: Wer wird es neben dem Amtsinhaber in die Stichwahl schaffen? Wieder Annette Ganssmüller-Maluche von der SPD, die vor sechs Jahren im zweiten Durchgang sehr achtbare 44,7 Prozent holte? Oder infolge des Grünen-Höhenflugs doch eher Christoph Nadler? Otto Bußjäger von den Freien Wähler würde natürlich auf sich setzen, realistisch aber dürfte Nadler von allen drei die größten Chancen haben. Michael Ritz (FDP) und Gerold Otten (AfD) wissen selbst, dass sie chancenlos sind.

Stichwahlen dürfte es aber auch um zahlreiche Rathäuser geben. 2014 war das in elf Kommunen der Fall, heuer könnten es noch mehr werden. Als wahrscheinlich gelten Stichwahlen zumindest in Unterschleißheim, Oberschleißheim, Garching, Neubiberg und Taufkirchen. In Unterschleißheim, weil der Herausforderer von SPD-Bürgermeister Christoph Böck, CSU-Kandidat Stefan Krimmer, einen aggressiven Wahlkampf fährt und die Stadt seit jeher zwischen beiden Parteien hart umkämpft ist; Oberschleißheim, weil Amtsinhaber Christian Kuchlbauer (FW) dort schwer unter Beschuss der Opposition steht und vier Gegenkandidaten hat; Garching, weil SPD-Mann Dietmar Gruchmann es mit fünf Herausforderern zu tun bekommt; Taufkirchen, weil der von der CSU gestützte parteilose Ullrich Sander sich ebenfalls Gegner in allen Fraktion gemacht hat; und Neubiberg, weil das Erbe von Rathauschef Günter Heyland (FW) zwischen vier Bewerbern neu vergeben wird.

18 Uhr

Mit der Schließung der Wahllokale am Sonntagabend um 18 Uhr beginnt der Liveticker der SZ zum Ausgang der Kommunalwahl im Landkreis München. Unter sz.de/wahl-lk-muenchen erfahren Sie online aktuell alles Wichtige zur Wahl der Bürgermeister und des Landrats sowie der Stadt- und Gemeinderäte in den 29 Kommunen. Ausgezählt werden zunächst die Stimmen für Bürgermeister- und Landratskandidaten, diese sollen noch am Wahlsonntag feststehen. Auch mit ersten Ergebnissen der Gemeinde- und Stadtratswahlen ist zu rechnen. Die Endergebnisse und die genaue Zusammensetzung der Gremien, insbesondere des Kreistags werden in den darauffolgenden Tagen bekanntgegeben.

Weil Amtsinhaber abtreten, werden auch in Aying, Baierbrunn, Feldkirchen, Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Planegg und Schäftlarn neue Bürgermeister gewählt, was Entscheidungen erst in der Stichwahl wahrscheinlicher macht. Vor allem in Planegg, wo sechs Frauen und zwei Männer um das Erbe von Heinrich Hofmann (SPD) antreten. Darüber hinaus gelten Thomas Glashauser (CSU) in Aschheim und Stefan Straßmair (CSU) in Hohenbrunn als Wackelkandidaten. Die einzige Grünen-Bürgermeisterin im Landkreis, Susanna Tausendfreund in Pullach, muss um ihre Wiederwahl kämpfen. Sie hat vier Herausforderer, und die vergangenen sechs Jahre war der Gemeinderat politisch tief gespalten. Auch Uta Wüst in Gräfelfing muss sich vier Kontrahenten erwehren.

Als so gut wie gesetzt gelten dagegen Alexander Greulich (SPD) in Ismaning, Maximilian Böltl (CSU) in Kirchheim, Thomas Loderer (CSU) in Ottobrunn und Stefan Schelle (CSU) in Oberhaching, nicht nur wegen wenig gefährlicher Gegner, sondern weil sie starke Platzhirsche in ihren Gemeinden sind. Definitiv als schon wiedergewählt darf sich Hans Sienerth (parteifrei) in Straßlach-Dingharting fühlen: Er hat keine Gegenkandidaten. Und Edwin Klostermeier (SPD) aus Putzbrunn steht als einziger gar nicht erst zur Wahl.

Spannung versprechen dagegen die Wahlen in Haar und Grünwald, wo die amtierenden Bürgermeister Gabriele Müller (SPD) und Jan Neusiedl (CSU) hart von ihren Herausforderern angegangen werden. In Neuried könnte es immerhin zu einem zweiten Wahlgang kommen, auch wenn die Grünen dort SPD-Bürgermeister Harald Zipfel gegen Marianne Hellhuber von der CSU unterstützen. Außerdem in Brunnthal, wo sich Stefan Kern (CSU) in Jürgen Gott einem gemeinsamen Kandidaten der Opposition gegenüber sieht, und in Sauerlach, wo Barbara Bogner (parteifrei) unter anderem von ihrem Bauamtsleiter Hubert Zellner (CSU) herausgefordert wird. In Unterhaching und Grasbrunn gelten die SPD-Amtsinhaber Wolfgang Panzer und Klaus Korneder dagegen als Favoriten. Und grundsätzlich gilt: Amtsinhaber werden in aller Regel nicht abgewählt. Vor sechs Jahren geschah dies nur CSU-Frau Hannelore Gabor in Garching.

Schwierige Mehrheiten

In den Rathäusern wird es bunter. Schon jetzt sitzen in vielen Stadt- und Gemeinderäten fünf oder sechs Parteien und Gruppierungen. In Unterschleißheim könnte dieses Mal noch dazu die AfD als siebte Kraft einziehen. In etlichen Gemeinden bewerben sich neue, parteifreie Kandidaten: so in Kirchheim die "Generation Zukunft" und in Neubiberg eine junge Liste, in Grasbrunn und Unterföhring erstmals die FDP. Wer auch immer die Chefposten in den Rathäusern erobert - er wird sich bunte Mehrheiten suchen müssen. Die Zeiten, in denen sich Bürgermeister auf eigene Mehrheiten stützen konnten, gehen zu Ende. Das dürfte für Aschheim wie für Brunnthal gelten. Selbst in Grünwald könnte die Dominanz der CSU mit ihrer absoluten Mehrheit am 15. März enden.

Natürlich kann auch alles ganz anders kommen. Klar ist: Spätestens nach der Stichwahl am 29. März wird die politische Karte des Landkreises ein ganzes Stück anders aussehen.

Zur SZ-Startseite
Urteil über Klage der AfD-Landtagsfraktion gegen Wahl mit 16

Der Wahlabend im Landkreis München zum Nachlesen
:Auch Landrat Göbel muss in die Stichwahl

Bei den Bürgermeisterwahlen in Garching, Unterschleißheim, Haar, Oberschleißheim, Neubiberg, Unterhaching, Hohenbrunn, Aying, Planegg, Gräfelfing, Pullach und auch bei der Landratswahl fällt die Entscheidung erst im zweiten Durchgang. Der Wahlabend zum Nachlesen

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: