Über eine schmale Treppe geht es nach oben in den zweiten Stock. In dem Geschäftshaus an der Südlichen Münchner Straße in Grünwald, an der es mittlerweile fast so schwer ist einen Parkplatz zu finden wie in Schwabing, hat Michael Ritz sein Büro: ein helles Zimmer mit viel Grün, das nach hinten raus geht. Hier ist von dem Verkehr draußen nichts mehr zu spüren und zu hören. Beste Voraussetzungen also für ein Gespräch mit dem Versicherungsmakler, der bei der Kommunalwahl für die FDP als Landratskandidat antritt - eine Rolle, die Ritz klar und offen definiert: "Das ist eine Präsenzkandidatur", sagt der 60-Jährige über seine Außenseiterchance. "Ich muss als Kreisvorsitzender mit gutem Beispiel vorangehen und die FDP muss im gesamten Landkreis präsent sein."
Ritz selbst hält es für nahezu ausgeschlossen, dass er sein Büro in Grünwald gegen das Chefbüro am Mariahilfplatz eintauschen wird, in dem noch Landrat Christoph Göbel (CSU) residiert. Wahrscheinlicher ist vielmehr, dass der Liberale auch künftig nach langen Arbeitstagen zu Fuß ins nur wenige Meter entfernte Rathaus zu Gemeinderatssitzungen laufen kann. Ritz legt ja eine Vierfach-Kandidatur hin: für den Posten des Landrats, als Grünwalder Bürgermeister sowie als Kreis- und Gemeinderat.
Seit 2018 ist der Grünwalder Chef des FDP-Kreisverbands, und es waren bewegte eineinhalb Jahre für die Liberalen im Landkreis. Eine Zeit, in der es die Partei richtig gebeutelt habe, wie Ritz sagt. Im Juni 2018 stirbt unerwartet der Kreisvorsitzende Ralph Peter Rauchfuss, für den er erst kommissarisch, dann offiziell in die Bresche springt; dann wird die Krebserkrankung des FDP-Bundestagsabgeordneten Jimmy Schulz aus Hohenbrunn publik. Der renommierte Digitalexperte, ein Gesicht der Liberalen im Landkreis, erliegt dem Leiden am 25. November vergangenen Jahres mit nur 51 Jahren.
FDP will ihre Mandate verdoppeln
Nicht zu vergessen, musste die FDP in dieser Zeit auch noch den Weggang ihres zweiten prominenten Kopfes verdauen: Im April 2018 lief ihr ehemaliger Landtagsabgeordneter und Landratskandidat Tobias Thalhammer zur CSU über. Möglicherweise rührt auch daher der Ehrgeiz von Michael Ritz mit Blick auf die bevorstehende Kommunalwahl. Gefragt nach seinen Zielen, sagt er: die Zahl aller Gemeinde- und Stadtratsmandate im Landkreis verdoppeln, im Kreistag auf sechs, bis sieben Mandate zulegen und bei der Landratswahl besser abschneiden als Thalhammer vor sechs Jahren, der nur auf 5,4 Prozent kam.
Wenn Michael Ritz über diese ambitionierte Vorgabe spricht, ist ihm die Euphorie anzumerken. Von sich selbst sagt der Grünwalder, er sei ein "leidenschaftlicher Kommunalpolitiker". Einer, der sich einbringen, etwas verändern wolle. In Grünwald fällt das schwer, dort regiert die CSU mit absoluter Mehrheit unter Rathauschef Jan Neusiedl. "Frustrierend" sei das manchmal. "Aber man darf sich nicht entmutigen lassen." Auch dann nicht, wenn Anträge immer wieder abgelehnt würden und Jahre später unter anderer Farbe wieder auftauchten, wie beim Aufbau von öffentlichem Wlan oder dem Breitbandausbau. Aber manches habe er auch durchgesetzt: "Das Ratsinformationssystem zum Beispiel, da bin ich wirklich stolz drauf. Das gäbe es heute noch nicht, unser Bürgermeister hat da keine Affinität dazu."
Ritz klingt meist nicht wie der typische Liberale. Ja, er sei ein "sehr freiheitlich denkender Mensch" und wolle sich nicht in "irgendwelche Zwänge rein pressen lassen". Vielleicht liegt es ja an der Herkunft: Ritz ist gebürtiger Münchner, ein Giesinger. Da ticken die Menschen heute noch anders als im vornehmen Neuhausen. Gekickt hat er früher, heute sammelt er als Vorsitzender des Fördervereins Spenden für den TSV Grünwald. Sechzger ist er trotzdem nicht, sondern "glühender Bayernfan"; der Vater war ein Blauer.
Hans-Dietrich Genscher zählte zu seinen großen Vorbildern
Früh zog die Familie nach Kirchheim, Ritz ging aufs Maria-Theresia-Gymnasium am Regerplatz in der Au, studierte Jura, legte das erste Staatsexamen ab und arbeitete zehn Jahre bei einem Versicherungskonzern, ehe er sich selbständig machte. Zwischendurch saß er sechs Jahre im Kirchheimer Gemeinderat, nicht für die FDP, der er zwar schon längst angehörte, aber für eine Freie Wählergruppe, die er mit einem Freien Wähler und dem ehemaligen oberbayerischen Regierungspräsidenten und Kirchheimer Bürgermeister Hermann Schuster (CSU) gegründet hatte. Mit den örtlichen Liberalen kam er nicht wirklich klar. 2001 zog er zu seiner Lebensgefährtin nach Grünwald. Ein Ort, den er schon gut kannte, er hat hier Verwandtschaft. "Und ein Ort, den ich wirklich mag. Ich fühle mich wohl hier", sagt er.
Wie auch in seiner Partei. Im Jahr 1990 ist Michael Ritz der FDP beigetreten, tief beeindruckt davon, was die Partei auch zur Wende beigetragen habe, sagt er. Hans-Dietrich Genscher war damals eines seiner großen Vorbilder und ist es noch heute.
Mit einer starken Fraktion im Kreistag will er etwas bewegen. Das Thema Wirtschaft liege ihm am Herzen und damit auch die Digitalisierung. Der Landkreis müsse verstärkt den Aufbau von Wlan voranbringen und "als übergeordnete Behörde Förderprogramme auflegen", sagt Ritz, wie schon bei der Geothermie. Eine Erhöhung der Kreisumlage wäre in seinen Augen ein falsches Signal - an die Wirtschaft und die Kommunen. Er sehe "mit Bewunderung" die Aktivitäten der Baugesellschaft München-Land, aber diese müssten noch verstärkt werden. "Wie soll sich sonst die Erzieherin hier das Leben leisten?", fragt er.
Ritz beherrscht auch die härtere Gangart
Auch das Thema Verkehr beschäftigt ihn. Es könne nicht sein, dass es vier Jahre dauere, bis ein Mobilitätskonzept für den Landkreis erstellt wird: "Das dauert zu lange. Es braucht jetzt Maßnahmen." Etwa doppelstöckige S-Bahnen, neue Tangentialverbindungen mit Bussen und auch Modellprojekte wie der Elektrobus in Unterföhring müssten weiterverfolgt werden. "Dann macht man doch besser gleich ein zweites und drittes Projekt."
Dass Ritz auch die härtere Gangart beherrscht, hat er vor wenigen Tagen beim Neujahrsempfang der Kreis-FDP gezeigt. Da grenzte er sich bewusst von Grünen und angeblichen "Sozialisten" ab, sprach von "Radler-Ideologie" im Landkreis München und einem "soften Ökozeitgeist", der die Politik im Griff habe. Vielleicht sieht so die Abgrenzung zum politischen Gegner aus, die sich der Spitzenkandidat der FDP wünscht.
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