Gleich zu Beginn der Diskussion steht fest: Der Abend wird ungemütlich für den amtierenden Bürgermeister Christan Kuchlbauer von den Freien Wählern (FW). Kaum dass SPD-Mann Harald Müller das Wort ergreift, greift er auch schon an: "In den letzten sechs Jahren ist nicht ein einziges Gewerbegebiet neu ausgewiesen worden, wir haben eine Ortsmitte, die in ihrer Entwicklung feststeckt und ein dramatisches Problem mit der Nahversorgung", zählt Müller auf. Auf sich beruhen lässt Kuchlbauer das nicht. "Die letzten Jahre hat sich unglaublich viel entwickelt", hält er seinem Widersacher entgegen. Man habe nicht nur geredet, sondern gehandelt. Es sei viel vorangekommen und das habe er auch aufgeschrieben: Drei Seiten seien dabei zusammengekommen. "Drei Seiten? - das kommt ganz darauf an, wie groß man schreibt", bringt sich Markus Böck (CSU) ins Spiel und steigt damit in den Kampf ums Rathaus ein. Der Schlag sitzt und Lacher hat Böck damit auch für sich gewonnen.
Das Interesse an dem Schlagabtausch ist hoch: Alle 480 Stühle im großen Saal des Oberschleißheimer Bürgerzentrums sind belegt, viele Menschen stehen - der Saal ist brechend voll. Zur Podiumsdiskussion stellen sich die fünf Bürgermeisterkandidaten - neben Kuchlbauer, Böck und Müller auch Casimir Katz (FDP) und Ingrid Lindbüchl (Grüne) - den Fragen von Moderator Günter Hiel vom Münchner Merkur. Gleich die erste bietet Zündstoff: Wie viele Minuten ist die Bahnschranke im Ort an der B 471 in der Stunde geschlossen? Eine Frage, die kein Bürgermeisterkandidat auf Anhieb treffsicher beantworten kann. Kuchlbauer wirft 34 Minuten in den Raum, Lindbüchl tippt auf 50. Die Antwort liegt dazwischen und lässt die Gemüter der Oberschleißheimer nicht nur im Wahlkampf hochkochen: Es sind 42 Minuten in der Stunde, in denen die Oberschleißheimer vor verschlossenen Schranken stehen.
Das Leidthema Verkehr treibt auch die Diskussion an diesem Abend an: Der öffentliche Personenverkehr, die nahegelegene Autobahn und die mit ihr verbundene Lärmbelastung - und allen voran der Durchgangsverkehr in der Gemeinde. Lösungen werden seit Jahren gesucht. Bewegung ist im Mai 2019 hineingekommen, als 2755 Oberschleißheimer in einem Bürgerentscheid entschieden, zur Entzerrung des Bahnübergang in der Dachauer Straße nicht mehr eine Tieferlegung der Bahn zu fordern, sondern eine Tieferlegung der Straße.
Kuchlbauer feiert das von den Freien Wählern initiierte Volksbegehren als Erfolg: "Wir kämpfen seit 40 Jahren mit der Bahnschranke", endlich tue sich etwas. Kritik kommt von Müller, der mit der Unterführung keine Lösung, sondern eine Zunahme des Durchgangsverkehrs erwartet. Für wichtiger hält er, die Westumfahrung sowie die Umgestaltung der Autobahnauffahrt zur A 92. "Das sind die beiden Großprojekte, die ich forcieren würde", so Müller. CSU-Kandidat Böck ist überzeugt, dass die Versprechungen des amtierenden Bürgermeisters dem Realitätscheck nicht standhalten werden: "Der Bürgerentscheid steht, aber ich glaube, dass er nicht realisierbar ist." Die einzige Lösung sehe er darin die B 471 aus dem Ort zu verlagern, "nur so bekommt man auch den Verkehr aus dem Ort". Dieser Einschätzung schließt sich FDP-Mann Katz an, der stattdessen eine Unterführung für Fußgänger und Radfahrer südlich vom Schlosskanal fordert. "Ein vernünftiges Radverkehrskonzept" habe für ihn "höchste Priorität". Auch die Grüne Lindbüchl ist für Konzepte jenseits des motorisierten Individualverkehrs. Dabei spricht sie sich als einzige Kandidatin gegen die Umgehungsstraße aus. "Diese 4,9 Kilometer lange Straße verbraucht 25 Hektar Fläche. Das ist verantwortungslos", sagt Lindbüchl.
Die kritische Haltung, die die Kandidaten von SPD, CSU, Grünen und SPD bei der Straßenunterführung eint, löst sich beim Thema Wohnungsbau teilweise auf. "Wohngebiete sollten nicht zu schnell und nacheinander entwickelt werden, damit die Infrastruktur mitwachsen kann", findet Lindbüchl. "In einer Metropolregion mit dermaßen hohem Druck auf dem Wohnungsmarkt" müsse gebaut werden, sagt Katz. Aus seiner Sicht bevorzugt in die Höhe, um unnötigen Flächenfraß zu vermeiden. "Wir müssen wachsen, anders werden wir junge Leute nicht am Ort halten können", bestätigt Böck diese Sicht. Da lässt sich dann auch ein Konsens mit Amtsinhaber Kuchlbauer finden: "Viele junge Leute ziehen weg, weil sie keine Wohnung finden", auch sei es schwer die Mannschaftsstärke in Kindergärten oder bei der Feuerwehr zu halten, wenn der Wohnraum nicht bezahlbar ist.