Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in Ismaning:Der natürliche Feind des Virus

Hubert Aiwanger gratuliert Ismanings Freien Wählern und lobt die Kraft des Starkbiers

Von Sabine Wejsada, Ismaning

Am Eingang hängt eine Bitte: Alle, die sich in den vergangenen Wochen in einem Corona-Risikogebiet aufgehalten haben, sollten wieder nach Hause gehen. Zu groß ist die Gefahr, dass sich das Virus im Bürgersaal verbreiten könnte, wenn die Gäste des Starkbierfestes der Freien Wähler in Ismaning nah beieinander sitzen. Diese Information und auch ein vor der Tür stehender Spender zur Handdesinfektion sind reine Vorsichtsmaßnahmen, zu der die Gruppierung am Samstagabend gegriffen hat, um ihre traditionelle Feierlichkeit, bei der auch das 60-jährige Bestehen der Vereinigung gefeiert wird, über die Bühne zu bringen.

Hubert Aiwanger, stellvertretender Ministerpräsident und Vorsitzender der Freien Wähler in Bayern, ist hocherfreut, dass trotz aller Hysterie und Panik mehr als 400 Besucher den Weg zum Starkbierfest gefunden haben. Er selbst gehört übrigens auch zu den Unerschrockenen, schüttelt beim Einmarsch fleißig Hände und spricht sich in seiner frei gehaltenen Laudatio zum 60. Geburtstag der Freien Wähler in Ismaning für mehr Gelassenheit aus. "Gut, dass Sie das Fest nicht abgesagt haben", ruft er den Organisatoren von der von der Bühne aus zu und lobt deren Mut. Er sei ein alter Freund Ismanings, sagt er, schon beim 50. Geburtstag der Freien Wähler beglückte der die Gruppierung mit seinem Besuch. Dass er nun zehn Jahre später wieder da sei, zeige seine Verbundenheit zu seinen Kollegen. Aiwanger ist überzeugt davon, dass "Starkbierfeste der natürliche Feind des Coronavirus sind", und deswegen sollten die Menschen diese feiern.

Gerade in "Zeiten der Spaltung", die die Gesellschaft durch Extremisten derzeit erlebe, sei es enorm wichtig, dass die Leute über Parteigrenzen hinweg zusammenkämen, miteinander redeten und vor allem in der Kommunalpolitik ein gemeinsames Ziel verfolgten, sagt der stellvertretende Ministerpräsident unter dem Beifall des Publikums. Die am nächsten Sonntag anstehende Kommunalwahl hält Aiwanger für außerordentlich bedeutsam: Es sei nämlich die Lokalpolitik, die das direkte Lebensumfeld der Menschen gestalte. Das große Interesse daran zeuge davon, dass es auf dieser Ebene keine Politikverdrossenheit gebe.

Freilich dürfe man Corona nicht auf die leite Schulter nehmen, "aber ich habe kein Verständnis für Hamsterkäufer", versichert Aiwanger. Bayern sieht er gut aufgestellt, um mit der Krise umzugehen. Für die unter Stornierungen leidenden Gastwirte und den Tourismus sowie Firmen und Betriebe, die wegen unterbrochener Lieferketten in Schieflage gerieten, werde Bayern einen Rettungsschirm in Höhe von 100 Millionen Euro aufspannen. In seiner frei gehaltenen Rede bricht der stellvertretende Ministerpräsident zudem eine Lanze für die Landwirte und für die ältere Generation. Seiner Meinung nach geht es zu weit, jenen, die Deutschland aufgebaut haben, vorzuwerfen, dass sie schuld daran sind, dass es der Welt so schlecht geht. Er sehe das ganz anders, so Aiwanger: "Ich sage Danke für ihr Lebenswerk." Honoriert werden Aiwangers deutliche Aussagen mit lang anhaltenden Applaus - und mit einem Ismaninger Rettungsschirm, den Altbürgermeister Michael Sedlmair und seine Freien Wähler dem Festredner mit launigen Worten überreichen. Das sei ein Geschenk für "den kleinen König, mit dem er in Niederbayern angeben könne", sagt Sedlmair augenzwinkernd.

Ganz am Schluss wird es dann noch einmal zünftig beim Starkbierfest: Im Singspiel werden Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) sowie seine zwei Herausforderer Max Kraus (Freie Wähler) und Annette Reiter-Schumann (CSU) derb auf die Schippe genommen. Der halbseidene Chef im Wettbüro "Club 100" muss auf Geheiß der Protagonisten das Orakel bemühen, um den Ausgang der Wahl zu prophezeien. Die Antwort lautet, dass nur der Kraus Max Bürgermeister werden kann. Ob dies Wunschdenken bleibt, wird sich am Sonntag zeigen. Für Lacher sorgt das fiktive Wahlergebnis allemal.

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SZ vom 09.03.2020
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