Kommunalwahl in den Stadtvierteln:Wissen ist Macht

Der Bezirksausschuss Schwabing-Freimann gehört zu den einflussreichsten der Stadt - was vor allem dem versammelten Sachverstand seiner Mitglieder zu verdanken ist.

Von Thomas Kronewiter

MUENCHEN: Allianz-Arena / Parkplatzchaos etc

Im Blickpunkt: die Allianz-Arena. Foto: Johannes Simon

(Foto: Johannes Simon)

Die Tagesordnungen des Bezirksausschusses 12 (Schwabing-Freimann) sind berüchtigt in der Stadtverwaltung: Sie umfassen oft genug mehr als 100 Einzelpunkte, was in Verbindung mit einem besonders diskussionsfreudigen Gremium in aller Regel einen gut gefüllten Abend ergibt. Gut, dass es Tradition und Bürgernähe meist erlauben, Anliegen, die Gäste betreffen, in der Reihenfolge nach vorn zu ziehen - sodass Verwaltungsmitarbeiter, sonstige Referenten, Schwabinger und Freimanner früher nach Hause gehen können. Der Abgang ihres Publikums bremst die Stadtteilpolitiker in der Debattierfreude indes gewöhnlich kaum.

Dafür macht ihnen das Diskutieren einfach zu viel Freude. Nur so ist es auch zu verstehen, dass sich nahezu alle derzeitigen Gremiumsmitglieder für eine weitere sechsjährige Amtszeit die Ochsentour der Basispolitik antun wollen. Frustriert sind sie nicht. Denn dass sie als kompetente Stadtteilvertreter ernst genommen werden, zeigt sich immer wieder. Insofern hat es sich als Glücksfall erwiesen, dass die Spitzenvertreter nördlich des Siegestors Architekten, Ingenieure und Juristen sind, die gerade bei den besonders brisanten Themen Schwabings und Freimanns mitreden konnten und können.

So kam beispielsweise der eigentliche Vorstoß, in der ehemaligen Bayern-Kaserne wesentlich mehr als die zunächst angepeilten 2500 Appartements zu errichten, aus der Mitte des Bürgergremiums. Ebenso das beharrlich seit Jahren verfolgte Prinzip, angejahrte Schwabinger Plätze aufzufrischen. Gut im Bilde sind die Politiker auch, wenn es um Bebauungspläne, Lärmbelästigungen, Kneipenärger oder Mietervertreibung geht - um Rechts- oder Gestaltungsfragen eben.

Insofern hat ein Votum des Bezirksausschusses Schwabing-Freimann durchaus Gewicht - wobei nicht verschwiegen werden soll, dass die pfiffigen Politik-Profis sehr genau wissen, wann sie auch öffentlichen Druck entwickeln müssen, jenseits der Debatten in der Seidlvilla, im Freizeittreff oder in der Lok Freimann. So konnten sich beispielsweise die Kreativen aus der ehemaligen Funkkaserne über lange Jahre der Unterstützung durch die Stadtteilpolitiker gewiss sein. Und als es um den geplanten Kahlschlag im Funkkasernen-Areal ging, warfen sich die Schwabinger und die Freimanner regelrecht vor zum Teil alte Gehölze, kämpften um das Überleben jedes einzelnen Baumriesen - angesichts der Altlasten im Wurzelgeflecht mit mäßigem Erfolg. Der Einsatz hatte dennoch seine Berechtigung: Als es Jahre später bei der Bayern-Kaserne erneut um die Frage ging, wie viele Bäume erhalten werden könnten, ging das Kommunalreferat von vorneherein mit allergrößter Zurückhaltung an diese Thematik heran.

Es sind in aller Regel dicke Bretter, die ein Bezirksausschuss-Mitglied bohren muss. Die Erfolge sind rar gesät und bedürfen vieler Mühen. Dass das Engagement trotzdem der Mühe wert ist, stellt niemand im Bürgergremium eindrucksvoller unter Beweis als Ludwig Spaenle. Der Bayerische Kultusminister schafft es in neun bis zehn von jährlich zwölf Plenums-Sitzungen. Dienstags, wenn die Vollversammlung tagt, sei in der Regel auch Kabinetts-Sitzung. "Da bin ich meistens in München", sagt der CSU-Politiker lapidar, kommt gewöhnlich ein bisschen zu spät, greift dann aber gerne lustvoll in die Debatte ein. Wird der Spitzenkandidat Spaenle in die Stadtteilvertretung gewählt, wovon auszugehen ist bei seiner Platzierung und seiner Prominenz, wird er sich dennoch ins zweite Glied zurückziehen, wie bisher. Um die Führung der CSU-Fraktion will sich erneut Patric Wolf bemühen, der trotz seiner gerade einmal 39 Jahre schon reichlich Erfahrung hat in diesem Amt. Einigen sich die Fraktionen, hat Wolf auch sicher wieder gute Aussichten, in den Vorstand des Bezirksausschusses gewählt zu werden. Der zweite stellvertretende Vorsitzende ist alles andere als ein Scharfmacher, der zu Gunsten der Sache gerne auf eine Zuspitzung verzichtet, der das Bemühen um den Bezirk über die parteipolitische Profilierung stellt. Dass die CSU-Fraktion mit dem Historiker Alexander Klotz und dem ehemaligen Kriminalbeamten Peter Eisert wieder zwei Nicht-Parteimitglieder auf aussichtsreichen Plätzen platziert hat, unterstreicht dieses Politikverständnis.

Sich gegen die rote Vormacht zu behaupten, dürfte den Schwarzen gleichwohl nicht leicht fallen. Im Architekten-Ehepaar Werner Lederer-Piloty, dem Vorsitzenden, und seiner Ehefrau Petra Piloty (beide SPD), der Unterausschuss-Vorsitzenden für Stadtplanung und Architektur, ist ein in Planungsfragen höchst aufmerksames Gespann am Werk, das gerne auch einmal Architektur-Lehrstühle und ihre Studenten als Ideenlieferanten bei Platzgestaltungsfragen einspannt, das unermüdlich die Berücksichtigung Schwabinger und Freimanner Interessen reklamiert und das Fehlentwicklungen lautstark anprangert. Dass in Projekten wie der Bebauung der Parkstadt Schwabing, der ehemaligen Funk- und Bayern-Kaserne, der Immobilienspekulation in Schwabing vor allem Fragen der Planung, Stadtgestalt und des urbanen Zusammenlebens in Schwabing und Freimann aktuell sind, verschafft den Architektur-Experten sozusagen einen Startvorteil. Ob den die SPD nutzen kann, muss sich aber erst noch zeigen - zumal man sich in Einzelfragen durchaus auch gegen Bürgerinteressen positioniert hat - beispielhaft sei der Kampf vieler Freimanner gegen die Allianz-Arena genannt, den die Genossen so nicht mitgetragen haben. Und so lässt das Duopol der beiden großen Parteien den Kleinen nicht viel Raum zur Profilierung.

Noch völlig unabsehbar ist, ob es den Freien Wählern gelingt, erstmals ins Gremium einzuziehen. Ob es die FDP schafft, ihre bisher drei Mandate zu verteidigen, darf schon auf Grund der politischen Großwetterlage eher bezweifelt werden. Ähnlich, wenn auch nicht im gleichen Ausmaß, stellt sich diese Frage bei der fünfköpfigen Grünen-Fraktion. Beide Gruppierungen arbeiten jedenfalls engagiert mit. Das gilt für FDP-Frontfrau Dagmar Reich, die sich mitunter bissig einspreizt, wenn etwas ihrer Ansicht nach in die völlig falsche Richtung läuft - oder wenn das Protokoll nicht stimmt. Bei den Grünen sorgt Bernhard Dufter - besonders in Verkehrsfragen - für kooperative Anstöße. Sein Fraktionskollege Ekkehard Pascoe gibt dagegen eher den Wadlbeißer. Der Vorsitzende des Vereins Corso Leopold punktet dafür immer wieder mit kulturellen Anstößen.

Die Kultur gehört zu den besonderen Steckenpferden aller Gremiumsmitglieder. Dafür wendet der Bezirksausschuss jeden freien Euro aus dem eigenen Budget auf, gibt hier einmal 5000 Euro dem "Theater des hölzernen Gelächters" für eine Open-Air-Saison, bezuschusst dort eine Performance in leer stehenden Gebäuden der Bayern-Kaserne. Und stellt im November auch schon einmal fest, dass das Budget nahezu erschöpft ist, das Jahr aber noch nicht zu Ende. Zu den Undiszipliniertesten, die begeistert tief in den eigenen Säckel greifen, gehört der Vorsitzende: Wird diskutiert, ob man auf einen Kürzungsvorschlag des Budget-Unterausschusses nicht doch vielleicht verzichten könnte, ist seine Hand am schnellsten in der Luft.

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