Kommunalwahl in Aying:Plötzlich Auswahl

Aying, Ortsansicht, Foto: Angelika Bardehle

In der Gemeinde Aying wird am 15. März ein Nachfolger für Johann Eichler gewählt.

(Foto: Angelika Bardehle)

Dem Langzeit-Bürgermeister Johann Eichler wollte in der Vergangenheit niemand Konkurrenz machen. Um seine Nachfolge bewerben sich jetzt vier Kandidaten von Parteien und Wählergruppen. Einer Einzelkämpferin fehlen noch Unterstützerunterschriften.

Von Michael Morosow

Die Ayinger Burschen sind Spezialisten darin, zwei Fichten zu einem weißblauen Wolkenkratzer zu verbinden. Durch sogenanntes Schiften zweier Stämme verhelfen sie ihren Maibäumen zu stattlichen Längen von 50 Metern und mehr. Wenn man so will, dann symbolisiert dieser hölzerne Riese eine wesentliche Herausforderung der lokalen Politik recht gut: kleine Teile zu etwas bleibend Großem zusammenzuhalten.

Die vielen Ortsteile mit unterschiedlichen Gepräge zu einem bunten Puzzle zusammenzufügen, in dem sich jeder als Teil von Aying versteht, das ist die Kunst, die beherrschen sollte, wer nach der Kommunalwahl im März den Platz von Ewig-Bürgermeister Johann Eichler (Parteiunabhängige Wählergemeinschaft Helfendorf, PWH), einnehmen will. Mindestens vier Kandidaten buhlen um die Gunst der Wähler, wenn die parteilose Einzelkämpferin Carla Spindler bis zum 3. Februar 120 Unterstützerunterschriften beibringt, sogar fünf.

Ein Gerangel um den Chefsessel im Rathaus - daran muss sich der ganze Ort erst einmal gewöhnen, so etwas hat es in Aying nicht mehr gegeben seit 1996, als Johann Eichler in einem damals angriffslustig geführten Wahlkampf in der Stichwahl CSU-Mann Bernhard Katzmair bezwang. Danach wagte es niemand mehr, den Platzhirschen herauszufordern, die Angst, sich eine blutige Nase zu holen gegen einen sowohl bei der Bürgerschaft als auch im Gemeinderat geschätzten Amtsinhaber, war wohl berechtigt.

Jetzt aber, da dieser das Feld räumt, werden die Karten neu gemischt, gibt es kein "Eichler sticht" mehr. 19 Ortsteile, drei Kfz-Kennzeichen, vier S-Bahnstationen, vier Vorwahlnummern - gäbe es wie für Autos oder Flugzeuge auch für Kommunen ein Spielquartett, würde der Ort mit diesen Merkmalen jede Karte anderer Gemeinde in Deutschland ausstechen - und das bei nur circa 5300 Einwohnern.

Ein Gepolter ähnlich wie 1996 wird es wahrscheinlich nicht geben. Wie auch soll jemand plötzlich austeilen gegen seine Mitbewerber, mit denen er im Gemeinderat über viele Jahre ein gutes Einvernehmen pflegte und programmatische Übereinstimmungen nicht leugnen kann? Das nämlich ist bis heute die große Stärke von Bürgermeister Eichler und dem ganzen Gemeinderat, politische Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren und den Nachtarock bleiben zu lassen. Auch dieses bewährte Miteinander steht am 15. März auf dem Spiel, werden doch mehrere altgediente Räte ausscheiden und wird das Gremium um vier auf 20 Mitglieder anwachsen.

Die Wahlflyer der Bürgermeisterkandidaten senden ein ähnliches Grundrauschen aus und bilden die Chancen und Probleme der Gmoa gut ab. Wohnen, Gewerbe, Mobilität, Fahrradwege, Familie, Bewahrung der Heimat und Umwelt lauten die Stichworte - und Transparenz. Jede und jeder hat sich eine verstärke Bürgerbeteiligung auf die Fahnen geschrieben und das aus gutem Grund.

Die Katastrophe vor Jahren mit der geplanten Dorferneuerung, die schließlich scheiterte, weil der Gemeinderat die Leute im Entscheidungsprozess nicht mitnahm und falsche Gerüchte das Vakuum füllten, ist jedem ebenso präsent wie 2018 aus ähnlichem Grund die Niederlage der Gemeinde bei einem Bürgerentscheid, wodurch ein Mischgebiet in Großhelfendorf verhindert wurde. Sprecherin der Bürgerinitiative war Carla Spindler, die jetzt für das Bürgermeisteramt kandidieren will.

Man muss kein Prophet sein, wenn man ihr keine Favoritenrolle zuweist, wie auch die Amtskette wohl auch den Hals von SPD-Mann Erich Leiter nicht zieren wird. Aber ein Lebenszeichen ist es, denn die Ayinger SPD hatte sich im September 2018 aus Mangel an Mitgliedern aufgelöst, wurde aber im Dezember reanimiert. Leiter weiß selbst, dass die politische Großwetterlage gerade kein Morgenrot für die SPD vorsieht. "Aber es ist eine Persönlichkeitswahl", macht er sich selbst Mut.

Das Gegenteil ist bei den Ayinger Grünen der Fall, deren Kandidatin Christine Squarra neben ihrer eigenen Strahlkraft auch auf den Bundestrend setzen kann. In ihrem Wahlprogramm an erster Stelle steht "Transparenz und Bürgerbeteiligung". Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die stärkste Fraktion, die Freie Wählergemeinschaft Aying (FWGA), heuer keinen Bürgermeisterkandidaten stellt, wird es interessant sein, wie sich Squarra gegen die Vertreter der verbliebenen beiden Großen, die CSU und die bisherige Bürgermeister-Gruppierung PWH, behaupten wird.

CSU-Mann Peter Wagner kann dabei zu seinen Vorteilen zählen, dass er aus dem Ortsteil Peiß stammt, damit aus der "Schweiz der Gemeinde", wie er sagt. So kommt er als "Neutraler" nicht zwischen die Fronten, die sich nach der Gebietsreform 1972 gebildet hatten zwischen Großhelfendorf und Aying, sondern ist in beiden Ortsteilen wählbar. Wichtig sei ihm, dass die geschätzten Sitten und Gepflogenheiten, die der alte Gemeinderat pflegt, auch im neuen beibehalten werden.

"Keine Käseglocke über Aying stülpen, aber alles mit Maß und Ziel", sagt der "Schweizer", der neben anderem das heimische Gewerbe stärken will. Thematisch gebe es wenige Unterschiede zwischen den Kandidaten, die Wähler würden ihre Kreuze mehr aus ideologischen Gründen setzen, glaubt Hermann Oswald von den Freien Wählern aus Helfendorf, die seit 24 Jahren den Bürgermeister stellen und diese Tradition fortsetzen wollen. Weil es in Aying keine Parteienpolitik gebe, sondern der gesunde Menschenverstand zähle, wolle er Bürgermeister werden, sagt Oswald, der als eines der größten Themen ein dringend neues Feuerwehrhaus und die Neugestaltung des Ortskerns von Großhelfendorf nennt.

Alle Berichte, Reportagen und Analysen zur Kommunalwahl unter www.sueddeutsche.de/thema/Kommunalwahl_im_Landkreis_München.

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