Süddeutsche Zeitung

Pullach:CSU entmachtet ihren Fraktionschef

Anstelle von Andreas Most soll Christine Eisenmann die Pullacher Gemeinderäte anführen.

Von Michael Morosow, Pullach

In dem seit Langem zu beobachtenden Richtungsstreit in den eigenen Reihen hat der Pullacher CSU-Ortsverband ein krachendes Zeichen gesetzt: In einer am Dienstag via Telefonkonferenz abgehaltenen Sitzung hat der Vorstand nicht nur die gescheiterte Bürgermeisterkandidatin Christine Eisenmann als Vorsitzende der neuen sechsköpfigen Fraktion im Gemeinderat vorgeschlagen, sondern gleichzeitig den bisherigen Fraktionschef Andreas Most aus dem Ortsvorstand geworfen. Diese Entscheidungen können als Absage der Pullacher Christsozialen an die alte Garde gesehen werden und als Vertrauensbeweis für die neu in den Gemeinderat gewählten CSU-Vertreter um Eisenmann. Dem Vernehmen nach soll sich die Versammlung auch Benno Schroeder vorgenommen und ihn abgemahnt haben aufgrund seiner öffentlichen Darstellungen. Beide, Most und Schroeder, zählten nicht zu den Teilnehmern an der Telefonkonferenz, wollten und konnten sich deshalb zu den Vorgängen nicht äußern. Nur eines sagte Andreas Most: "Ich lasse mich nicht rausekeln, ich bereue nichts, das ich in den vergangenen sechs Jahren getan habe."

Ob Christine Eisenmann überhaupt am 12. Mai bei der konstituierenden Sitzung im Gemeinderat sitzen wird, steht dabei noch gar nicht fest. Es wird zuvor erst noch geklärt werden müssen, ob die fristlose Kündigung der stellvertretenden Leiterin der Bautechnik gültig ist. Wenn das Arbeitsgericht zu einem anderen Ergebnis kommt, dann dürfte Eisenmann gar nicht in den Gemeinderat einziehen, weder als einfaches Mitglied, geschweige denn als Fraktionschefin. Eine Vollzeitstelle im Rathaus gilt als Amtshinderungsgrund. In diesem Fall würde Benno Schroeder ihren Platz im Gemeinderat einnehmen.

Es geht ein Riss durch die CSU Pullach

Es zieht sich also wieder einmal ein Riss durch die CSU in Pullach, zum zweiten Mal nach 2014. Damals führte interner Zwist zum Austritt einer vielköpfigen Gruppe und der Gründung der Unabhängigen Wählervereinigung WIP, die seitdem im Gemeinderat sitzt, zuerst mit fünf, nach den jüngsten Gemeinderatswahlen mit vier Vertretern. Die CSU hat sechs Sitze im neuen Gemeinderat, aber die Fraktion ist zweigeteilt: auf der einen Seite die Neuen, die designierte Fraktionsvorsitzende Christine Eisenmann und ihr Ehemann Uwe sowie Altbürgermeister Jürgen Westenthanner und dessen Sohn Sebastian. Auf der anderen Seite Andreas Most und Caroline Voit, die sich beide offenbar nicht einer Allianz zuordnen lassen wollen, auf die sich vor Wochen ihre Fraktion mit der WIP und der FDP verständigt hatte, um bestimmte Vorhaben im Gemeinderat durchzubringen. Most, Voit und auch Benno Schroeder, so heißt es, wollen weiter ausschließlich sachbezogen ihre Entscheidungen treffen. Insbesondere Most hält von einer Blockbildung im Gemeinderat nicht viel und hat mit der WIP größte Probleme, zumal diese den Bau von Sozialwohnungen an der Heilmannstraße hatte verhindern wollen.

In einer Pressemitteilung nach der Telefonkonferenz erklärte der Vorsitzende des CSU-Ortsverbandes Pullach, Hans Ehm, die Favorisierung von Christine Eisenmann: Deren Bereitschaft, den Job aufzugeben, um sich der Verpflichtung als Gemeinderätin zu stellen, hätten der Ortsverband und alle Teilnehmer der Telefonkonferenz größten Respekt gezollt - "auch wenn es holprig war".

Die 54-jährige Bautechnikerin im Rathaus war bekanntlich in der Stichwahl nur knapp der amtierenden Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) unterlegen; ihr Ergebnis fiel nicht zuletzt deshalb so gut aus, weil FDP und WIP Wahlempfehlungen für Christine Eisenmann ausgesprochen hatten. Nach ihrem Misserfolg im Bürgermeisterrennen hatte Eisenmann mehrere Male öffentlich kundgetan, auch als Stimmenbeste hinter Tausendfreund nicht ihr Mandat im Gemeinderat antreten zu können, weil das ihre Vollzeitstelle im Rathaus nicht zulasse - bis sie am 7. April zur allgemeinen Überraschung plötzlich doch in den Gemeinderat einziehen wollte und ankündigte, ihren Job ohne Berücksichtigung von Kündigungsfristen an den Nagel hängen zu wollen.

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SZ vom 08.05.2020/hilb
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