Kommentar:Verkehrte Welt im Rathaus

Dass Haar gegen die Gewerbepläne von Grasbrunn klagen, belastet die gute Nachbarschaft. Dabei ist diese für Klimaschutzprojekte so wichtig

Von Bernhard Lohr

In Haar steht die Welt Kopf: Ausgerechnet CSU und FDP beschließen am Dienstagabend, mit juristischen Mitteln gegen die Nachbargemeinde vorzugehen, um eine Ansiedlung von Gewerbe und eine Zersiedelung zu verhindern. Grüne und SPD stimmen dagegen. Und der Bürgermeister, der den schwarz-grünen Modernisierer gibt, sucht aus diesem Durcheinander die Flucht in einem Mittelweg, indem er die Klage unterstützt, aber nur mit dem Ziel, dass Grasbrunn den wegen der erwarteten Verkehrszunahme notwendigen Ausbau der Kreuzung von B 304 und B 471 mitfinanziert. Gegen das Gewerbe an sich stellt er sich nicht. Dabei hat er im Wahlkampf noch gegen die Keferloh-Pläne gewettert. Andreas Bukowski ist offenkundig mittlerweile im Amt angekommen, erkennt Sachzwänge an und die Notwendigkeit, mit dem Nachbarn auszukommen. Doch was ist mit den anderen los?

Damit sich niemand täuscht: Was Grasbrunn in Keferloh plant, lehnen die Haarer über Parteigrenzen von tiefstem Herzen ab. Es widerspricht der seit Jahrzehnten gepflegten Politik, bei der Raumplanung im verdichteten Münchner Umland größte Sorgfalt walten zu lassen, damit kein Siedlungsbrei entsteht. Gerade in Haar mit seinen knappen Flächen wurde das stets hochgehalten, um Frischluftschneisen und Erholungsräume zu schonen. Eine Abkehr davon hat in der Vergangenheit höchstens die CSU mal propagiert, bei der die Ausweisung von Gewerbeflächen stets eine besondere Priorität hatte. Aktuell sieht alles danach aus, dass die CSU über bestehende Bebauungsgrenzen hinauszugehen bereit ist, um den Schulcampus irgendwo unterzubringen.

Dennoch darf man bei CSU und FDP schon anerkennen, dass sie es sich nicht leicht machen, jetzt massiv gegen die Keferloh-Pläne vorzugehen. Diese haben auch ein besonderes Gewicht. Es geht um ein leider bereits weitgehend durch Gewerbebauten verschandeltes Kleinod des Landkreises. Die romanische Kirche dort gehört zu den ältesten Kulturdenkmälern im Umland. Dort Gewerbe anzusiedeln, war und ist ein Fehler. Grasbrunn hätte, anders als Haar, auch andere Flächen dafür. SPD und Grüne stimmten kalten Herzens nur deshalb gegen eine Klage, weil sie sich keinen Erfolg ausrechnen. Und eine gute Nachbarschaft kann noch Gold wert sein, wenn man wichtige Klimaschutzprojekte angehen will.

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