Kommentar:Stochern im Abgasnebel

In der Diskussion um Stickoxide ist die Dunstwolke an Argumenten und Gegenargumenten schwerer zu durchschauen als die Abgaswolke

Von Lars Brunckhorst

Je weiter sich die Debatte um Stickstoffdioxid und Fahrverbote dreht, um so weniger sieht man klar. Erst gilt als ausgemacht, dass in vielen Städten die Luft schlecht ist und Dieselfahrzeuge als größte Stinker am stärksten dazu beitragen. Daraufhin werden, mit richterlichem Druck, Fahrverbote verhängt. Dann melden sich Lungenärzte zu Wort und behaupten, mit den Stickoxiden werde völlig übertrieben. Und zu guter Letzt veröffentlicht die Stadt München Luftmessungen, deren Ergebnisse besser ausfallen als alle Annahmen. Alles also nicht so schlimm? Fahrverbote unnötig?

Abwarten. Laut einer Studie, die im Auftrag des Landratsamts für den Landkreis erfolgte, werden ausgerechnet im so beschaulichen Isartal und Würmtal die Grenzwerte für Stickoxide sehr wohl erreicht. Diese Nachricht kam just am selben Tag wie die Entwarnung aus München. Da staunt der Laie: Kann es sein, dass die Luft an der Oberhachinger Straße in Grünwald schlechter sein soll als an der Schleißheimer Straße in München?

Um die Verwirrung komplett zu machen, kommen jetzt noch die Grünen mit eigenen Messergebnissen daher und widerlegen ihrerseits die Berechnungen - allerdings im Gegensatz zu München nicht nach unten, sondern nach oben. So soll die Luft in Unterschleißheim deutlich schlechter sein als in den Berechnungen angenommen, in einem Fall der Grenzwert sogar überschritten. Also doch Fahrverbote? Sogar außerhalb der Stadt?

Ob Autofahrer, Fußgänger, Radler oder Anwohner - niemand kennt sich mehr aus. Welche Werte sind verlässlich? Die, die errechnet, oder die, die gemessen wurden? Und soll man nun besser nachmessen oder lieber nicht? Die Dunstwolke an Argumenten und Gegenargumenten ist schwerer zu durchschauen als die Abgaswolke. Die Folge: Jede Seite sucht sich die Daten aus, die ihr passen. Dabei wird übersehen, dass die Stickoxide ohnehin nur ein Indikator für die Luftqualität sind und die Grenzwerte politisch gezogen. Unstrittig sollte sein: Je niedriger die tatsächlichen Werte sind, umso besser für Mensch und Umwelt.

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