Kommentar:Gemeinde in der Warte-Schlange

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Weil das Landratsamt nicht in die Gänge kommt, lässt Sauerlach die Pläne für eine Flüchtlingsunterkunft platzen. Das darf nicht passieren

Von Martin Mühlfenzl

Weit mehr als 200 Anwohner der Sauerlacher Sommerstraße haben im Februar mit ihren Unterschriften nein zum Bau einer Flüchtlingsunterkunft gesagt. Begründen konnten sie ihre Ablehnung, die sie auch lautstark in teils tumultartigen Gemeinderatssitzungen kundgetan hatten, mit einem Ja zur Schlingnatter. Die Schlange, die offenbar in dem Biotop zu Hause ist, zeichnet nämlich vordergründig verantwortlich dafür, dass die Gemeinde ihre Pläne zur dezentralen Unterbringung an diesem Ort fallen lassen musste.

Die Anwohner haben ihr Ziel nun Monate später erreicht. Sie werden keine Flüchtlinge in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft ertragen müssen. Das hat auch mit dem Zusammenwirken zweier Verzögerungstaktiken zu tun - einer sehr bewussten und einer eher unabsichtlichen. Den Gegnern einer Flüchtlingsunterkunft kam das plötzliche Auftreten einer schützenswerten Art sehr Recht; sie konnten argumentieren, dass deren Lebensraum durch die Versiegelung bedroht sei. Ein Argument, das vermeintlich vor dem Vorwurf fremdenfeindlicher Ressentiments bewahrt. In die Hände spielte ihnen auch die Schlafmützigkeit der zuständigen Stellen im Landratsamt. Die hatten zwar ein Gutachten über die Schlingnatter in Auftrag gegeben - sich aber über Monate hinweg vom erkrankten Gutachter vertrösten lassen. Ganz so, als gäbe es in der Republik nur einen Experten für diese Art. Im Sauerlacher Rathaus warteten sie hingegen ebenfalls über Monate hinweg auf Nachrichten - und wurden nicht einmal vertröstet, sondern trotz mehrmaliger Nachfrage schlichtweg ignoriert.

Im Ungewissen über die Lebensumstände der Schlange ausharrend, hat der Gemeinderat frühzeitig entschieden, die Unterkunft an einem anderen Standort zu errichten. Jubeln können jene Anwohner, die schon zu Beginn des Jahres deutlich Position bezogen haben. Das sollte den Entscheidern im Landratsamt zu denken geben. Eine Gemeinde mit einer konkreten Bitte, die ganz im Sinne der Politik des Landkreises ist, sollte nicht so lange ignoriert werden.

© SZ vom 22.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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