Kommentar:Entgleisung ersten Ranges

Kommentar: Eine ebenso mühsame wie gesundheitlich gefährliche Arbeit: Zwangsarbeiterinnen der Lohhofer Flachsröste beim Einsatz in Schrobenhausen.

Eine ebenso mühsame wie gesundheitlich gefährliche Arbeit: Zwangsarbeiterinnen der Lohhofer Flachsröste beim Einsatz in Schrobenhausen.

(Foto: privat)

CSU-Stadträtin Lorena Allwein zeigt einen erschreckenden Mangel an Geschichtsbewusstsein. Sie sollte sofort ihr Mandat niederlegen

Von Sabine Wejsada

Kein Zweifel: Lorena Allwein, CSU-Stadt- und Kreisrätin aus Unterschleißheim, ist offenbar von allen guten Geistern verlassen, wenn sie öffentlich Geschichtsklitterung betreibt, als ihre Kollegen im Stadtrat die Schaffung von Gedenkstätten für die in der Lohhofer Flachsröste von den Nazis ausgebeuteten Zwangsarbeiterinnen beschließen. Allweins Einlassungen, wonach das "too much" sei, in Unterschleißheim Gedenkorte einzurichten, weil doch an den Nationalsozialismus "jeden Tag genug erinnert" werde, ist eine Entgleisung ersten Ranges.

Mehr als unbedachtes Gerede

Die CSU-Frau stellt sich damit auf eine Stufe mit den Gaulands und Höckes dieser Republik. Auch wenn gerade Wahlkampf ist und die Christsozialen auch am rechten Rand auf Stimmenfang gehen, muss die Partei der Kommunalpolitikerin aus der Stadt im Norden des Landkreises München zügig die rote Karte zeigen. Null Toleranz gegenüber einem derartigen Geschwätz.

Genau betrachtet, ist es aber viel mehr als unbedachtes Gerede. Wenn sich Allwein aufschwingt, nicht nur für sich, sondern für ihre Generation zu sprechen, der das Thema Nationalsozialismus und Zwangsarbeit angeblich irgendwann zu den Ohren rauskomme, dann muss man ihr ganz klar sagen: Nein, das stimmt nicht. Schulen gelingt es seit Jahrzehnten, Kinder und Jugendliche über das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte aufzuklären - auf dass sich so etwas nie mehr wiederholt. Gerade junge Menschen engagieren sich gegen rechts und für sie ist es wichtig zu erfahren, was damals in ihrem Heimatort passierte. Weil es immer weniger Zeitzeugen von Judenvernichtung und Zwangsarbeit gibt, braucht es erfahrbare Gedenkorte.

Dass Allwein findet, es gebe in München und Dachau "schon wunderbare Denkmäler" und man müsse "die schreckliche Erinnerung" nicht "überall breit treten", legt den Schluss nahe, dass die 30-Jährige in ihrer Schulzeit wohl regelmäßig die Geschichtsstunden geschwänzt haben dürfte. Anders ist es nämlich nicht zu erklären, dass sie sich zu solch unerträglichen Worten versteigt, die nur eines nach sich ziehen können: die sofortige Niederlegung ihrer Mandate in Stadtrat und Kreistag.

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