Kolumne: After Eight:Schlaaaaaaaaaaaand!

Für Fußball-Muffel brechen harte Zeiten an: Kaum ein Münchner Lokal, das nicht die WM live überträgt. Und sogar das KVR zeigt ein Herz für Fans und erlaubt den Kneipen, länger zu öffnen.

Beate Wild

Wer kein Fußballfan ist, hat keine Chance. Egal, wo man ab Freitag hinkommen wird, man wird auf Flatscreens und Großbildleinwände treffen: Public Viewing, wohin das Auge blickt.

Kolumne: After Eight: Die Vuvuzela ist ein Blasinstrument, das dem Trompeten eines Elefanten ähnelt, ist aber lauter. Auch deutsche Fußballfans entdecken den Krawallmacher nun für sich.

Die Vuvuzela ist ein Blasinstrument, das dem Trompeten eines Elefanten ähnelt, ist aber lauter. Auch deutsche Fußballfans entdecken den Krawallmacher nun für sich.

(Foto: afp)

Dieser Trend, von vielen mittlerweile der Einfachheit halber mit PV abgekürzt, zieht sich durch sämtliche Lokale. Die noch so kleinste Kneipe am Eck hat garantiert einen Mega-Supersize-Flachbildschirm aufgestellt - damit auch ja keiner der Gäste auch nur eine Minute der WM-Partien verpassen muss.

Es versteht sich von selbst, dass sämtliche Spiele in einer ohrenbetäubenden Lautstärke widergegeben werden. Man soll schließlich jede noch so doofe Bemerkung des chauvinistischen und ach so witzigen Kommentators verstehen.

Aber auch in lauschigen Biergärten unter Schatten spendenden Kastanien verfolgt einen das Fußball-Event gnadenlos. Man kann nicht mal in Ruhe seine Maß Bier trinken und sein Hendl verzehren, ohne dass man - je nachdem - von jubelnden oder frustrierten Mitbürgern umgeben ist.

Außerdem erreicht uns die Meldung, dass auch bei deutschen Fans Vuvuzelas der neueste Trend sind. Wer sich jetzt fragt, was das ist, dem sei aus Wikipedia zitiert: "Die Vuvuzela [vuvuˈzɛla] ist ein Blasinstrument und ein Symbol des südafrikanischen Fußballs. Die Trompete aus Kunststoff oder Blech ist fast einen Meter lang. Ihr Klang ähnelt dem Trompeten eines Elefanten, ist aber lauter. Lautstärken von 120 Dezibel können erreicht werden." In vielen Städten sind diese Instrumente bei PVs wegen der Lärmbelästigung verboten, in München nicht.

Für Münchner, die dem Ballsport ablehnend gegenüberstehen, brechen also harte Zeiten an. Bei der diesjährigen WM scheint der Gipfel des gemeinschaftlichen Glotzens erreicht. Schon bei der letzten WM 2006 hat das PV-Fieber München geradezu überrollt, was insoweit nicht wundert, da das Ereignis im eigenen Land stattfand.

Doch 2010 dürfte es eine Herausforderung werden, ein Lokal zu finden, in dem man seine Ruhe hat, wenn man dies möchte. Das Café Kosmos wirbt beispielsweise extra damit, WM-freie Zone zu sein. Früher war das Gegenteil der Fall. Da haben Kneipen damit geworben, Fußball zu übertragen.

Gesucht: WM-freie Zone

Früher, sagen die Traditionalisten gerne, war alles besser. Das kommt wiederum auf den Standpunkt an. Zumindest war es 2002 für Fußballanhänger nicht so leicht, einen Ort zu finden, an dem man live Fußball schauen konnte. Vorreiter war schon damals das Parkcafé. Auch so manche Kneipe auf der Leopoldstraße hatte einen Bildschirm aufgestellt. Doch das Interesse der Münchner an Massen-Fernsehen hielt sich damals noch arg in Grenzen.

Das Schöne an dem grassierenden PV-Hype ist aber, dass es auch Leute begeistert, die sonst mit Schweinsteiger, Lahm & Co. wenig am Hut haben. Alleine das Gemeinschaftsgefühl, die Party-Laune und die Tatsache, einen Grund zu haben, fast täglich einen Biergarten aufzusuchen, überzeugen viele Münchner - und Münchnerinnen. Und offenbar auch das sonst so rigide Kreisverwaltungsreferat (KVR).

Dieses Jahr hat man anlässlich des bevorstehenden Spektakels gleich prophylaktisch die Sperrstunde für sämtliche Lokale mit Außengastronomie nach hinten verschoben. Terrassen und Biergärten dürfen bis eine halbe Stunde nach Spielende offen bleiben, auch wenn dies nach 23 Uhr liegt. Für das sonst so spießige und lärmempfindliche München ist das schon ein Fortschritt.

Konkret bedeutet das, dass ab dem Achtelfinale das PV-Vergnügen richtig lange dauern kann. Ab dieser Runde kann ja das Spiel in die Verlängerung oder gar ins Elfmeterschießen gehen. Bis Mitternacht ist das Outdoor-Vergnügen also gesichert. Und auch sonst versichert das KVR, locker mit den Gaststätten und ihren Fans umgehen zu wollen. Ruhestörungen durch draußen stehende Gäste will die Polizei während der WM nicht so streng verfolgen wie sonst.

Das ist selbstverständlich ausnahmslos zu begrüßen. Da wünscht sich sogar der eingefleischteste Fußball-Muffel, die WM würde den ganzen lieben Sommer lang dauern.

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