Klinikum Haar:Stille Nacht im Hochsicherheitstrakt

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Pfarrerin Petra Meyer und Pastoralreferent Josef Germeier haben den kleinen Besprechungsraum festlich dekoriert. (Foto: Angelika Bardehle)

Die Krankenhausseelsorger Petra Meyer und Josef Germeier feiern Weihnachten mit Forensik-Patienten.

Von Bernhard Lohr, Haar

Es dürfte wieder eine ziemlich enge Angelegenheit werden an Heiligabend. Nur ein paar Quadratmeter groß ist der Besprechungsraum, dem Pfarrerin Petra Meyer und Pastoralrefent Josef Germeier für den Weihnachtsgottesdienst mit ein paar Utensilien einen Anflug von Feierlichkeit verpassen. Sie stellen ein Kreuz und ein Gesteck auf den Tisch vor sich. Auf einem zweiten Tischchen gibt es drei Puppen, die die Heilige Familie darstellen. Wenn dann noch die 15 Gottesdienstbesucher da sind, greift Meyer zur Gitarre und Germeier legt die Querflöte an die Lippen. Dann stimmt die klar von Männern dominierte Runde "O du Fröhliche" und "Stille Nacht" an.

In dem improvisierten Gottesdienstraum kommen Menschen zusammen, die laut Gerichtsbeschluss zu einem Leben im Hochsicherheitstrakt der Forensik des Isar-Amper-Klinikums in Haar verdonnert wurden. In Haar sind nur Männer untergebracht. 390 Fälle sind es insgesamt; in dem erst 2007 eröffneten, speziell gesicherten Gebäudeteil, in dem am Nachmittag des 24. Dezember Gottesdienst unter besonders beengten Verhältnissen gefeiert wird, leben 140 Männer. Das sind zum einen solche, die eine schwere Straftat begangen haben, die aber wegen ihrer psychischen Verfassung als schuldunfähig gelten und zugleich eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen. Zum anderen sind es Männer, die wegen Alkohol- oder Drogenproblemen und entsprechenden Delikten eingewiesen wurden. Die evangelisch-lutherische Pfarrerin Meyer ist für die psychisch kranken Straftäter zuständig, der katholische Pfarradministrator Germeier für die Suchtkranken. Die ökumenischen Gottesdienste gestalten sie gemeinsam.

Für manche der Insassen, die in der Forensik als Patienten geführt werden, hat das mit Emotionen stark aufgeladenen Weihnachtsfest große Bedeutung. Pfarrerin Meyer ist seit 14 Jahren evangelisch-lutherische Krankenhausseelsorgerin, Pfarradministrator Germeier seit zwölf. Weihnachten kämen bei den Patienten "viele Erinnerungen" hoch, sagt Germeier, schließlich seien sie getrennt von ihren Familien oder ihrem früheren Leben. Meyer sagt, die Sehnsucht nach "einem Stück heiler Welt" werde da wach - und für manchen die Hoffnung auf Normalität.

Den auffälligsten Schmuck in dem kleinen Gottesdienstraum bilden zwei Stoffbahnen, die von den unter der Decke liegenden Fenstern reichen. Ein früherer Suchtpatient hat diese nach dem Vorbild von Marc Chagall bemalt und in den hermetisch abgeschlossenen Raum, in den nur durch weit oben liegenden Klappfenstern Licht fällt, zwei Bilder mit starker Symbolkraft hineingezaubert. Mit großer künstlerischer Fertigkeit hat er in kräftigen Blautönen Chagalls Kirchenfenster aus der Kirche St. Stephanus in Mainz gemalt. Doch die Freiheit hat enge Grenzen. "Dieser Bereich wird videoüberwacht", steht an der Tür.

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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