Hygiene-Skandal:Staatsanwaltschaft durchsucht Klinikum Neuperlach

Die Leitung der städtischen Klinikgesellschaft gerät unter Druck. Offenbar sollten die Probleme mit verschmutzten OP-Bestecken vertuscht werden. Staatsanwaltschaft beschlagnahmt indes OP-Siebe.

D. Hutter und S. Lode

Im Hygiene-Skandal an den Krankenhäusern Bogenhausen und Neuperlach gerät die Leitung der städtischen Klinikgesellschaft zunehmend unter Druck. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wurde über Monate hinweg versucht, die Probleme mit verschmutzten OP-Bestecken zu vertuschen. Dass der Aufsichtsrat informiert wurde, ist offenbar nur dem Verantwortungsbewusstsein eines Betriebsratsmitglieds zu verdanken. Operiert wird in den Häusern voraussichtlich auch in den nächsten Tagen nicht. Die beiden für Hygiene zuständigen Abteilungsleiter wurden am Freitag vom Dienst suspendiert.

Krankenhaus Bogenhausen in München, 2009

Krankenhaus Bogenhausen: Hygiene-Skandal an zwei Münchner Kliniken.

(Foto: Catherina Hess)

Am Abend bestätigte Aufsichtsratsvorsitzender Hep Monatzeder, dass die Staatsanwaltschaft das Klinikum Neuperlach durchsucht und Akten, OP-Siebe und Computer beschlagnahmt hat. Bei der Staatsanwaltschaft haben sich inzwischen mehrere Patienten gemeldet, die über Infektionen nach Operationen in Bogenhausen oder Neuperlach klagen.

Ermittelt wird derzeit noch gegen Unbekannt - wegen möglicher Verstöße gegen das Medizinprodukte- und das Infektionsschutzgesetz, aber auch wegen Körperverletzung. Im schlimmsten Fall droht den Verantwortlichen eine Haftstrafe, wobei laut Thomas Steinkraus-Koch, dem Sprecher der Staatsanwaltschaft München I, noch nicht klar ist, ob sich Einzelpersonen schuldig gemacht haben oder aber ein sogenanntes Organisationsversagen vorliegt.

In den beiden Kliniken sind, wie berichtet, seit Mittwochabend keine Operationen mehr zulässig. Lediglich Notfälle werden noch behandelt. Dass an den OP-Instrumenten teilweise mit bloßem Auge sichtbare Verschmutzungen hafteten und in einigen Fällen die für den Arzt bestimmten Besteck-Körbe fehlerhaft oder unvollständig bestückt waren, hätte die Klinikleitung allerspätestens am 18. Mai zum Handeln zwingen müssen. An diesem Tag kam ein Gutachten der Firma "Simicon" heraus, das eben worden war, weil schon zahlreiche Beschwerden vorlagen.

Ärzte der betroffenen Kliniken beklagen sich aber bereits seit August 2009 über nicht steriles OP-Besteck, behauptet der CSU-Stadtrat Robert Brannekämper. Die zuständigen Stellen hätten jedoch auf warnende E-Mails nicht reagiert. Für die gesundheitspolitische Sprecherin der CSU-Stadtratsfraktion, Eva Caim, ist auch die Rolle des Qualitätsmanagements und der Hygieneabteilung fragwürdig: "Die haben ihre Pflicht offenbar sträflich vernachlässigt."

Ein Insider, der die Verhältnisse genau kennt, aber seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, wird noch konkreter mit den Schuldzuweisungen: "Das Personal ist überlastet. Aber das ist nicht das grundlegende Problem. Der zuständige Chefarzt für Hygiene hat komplett versagt."

Der Chefarzt habe die Zustände in der Zentralsterilisation über Monate akzeptiert, obwohl gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen wurde. Die Ärzte vom Gesundheitsamt hätten hingegen unverzüglich gehandelt "und die Sterilisation sofort geschlossen".

Das Gesundheitsamt wurde freilich nur tätig, weil der Aufsichtsrat bei seiner Sitzung am Freitag vergangener Woche, also erst nach sechs Wochen, auf inoffiziellem Wege über das Gutachten informiert wurde. Dies geschah nach SZ-Informationen über den Betriebsrat. Geschäftsführer Reinhard Fuß berichtete dem Aufsichtsrat daraufhin mündlich über die Vorfälle - in einem so beschwichtigenden Tonfall, dass ein Teilnehmer später von "Laissez-faire" sprach.

Vorwürfe aus der CSU, auch der Aufsichtsrat hätte eigentlich viel früher reagieren müssen, wies dessen Vorsitzender, Bürgermeister Hep Monatzeder (Grüne), zurück. Die im vergangenen Herbst in die Öffentlichkeit gekommenen Beschwerden über Hygienemängel hätten mit OP-Bestecken nichts zu tun gehabt.

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