Natur und Umwelt:Mit wenigen Klicks zu mehr Klimaschutz

Natur und Umwelt: Peter Naumann zeigt im Forstrevier Unterdill, wo die Zukunft des Waldes liegt. Es ist die kleine Buche, die im Fichtenwald wächst.

Peter Naumann zeigt im Forstrevier Unterdill, wo die Zukunft des Waldes liegt. Es ist die kleine Buche, die im Fichtenwald wächst.

(Foto: Claus Schunk)

Der Landkreis München startet den Verkauf von Treibhausgas-Zertifikaten zugunsten von lokalen Projekten. Ein Beispiel ist der dringend nötige Waldumbau im Forstenrieder Park.

Von Bernhard Lohr, Landkreis München

Peter Naumann kniet auf dem weichen Waldboden und hält den dünnen Ast einer frisch gepflanzten Buche zwischen den Fingern. "Das ist die Mutter des Waldes", sagt er zu der gerade mal 50 Zentimeter großen Pflanze zwischen turmhohen, jahrzehntealten Fichten. Und dann erzählt der Forstwirt und Sprecher des Vereins Bergwaldprojekt den etwa 20 Interessierten, die im Kreis um ihn herumstehen, was dieser noch kaum als solcher zu erkennende Baum im Forstenrieder Park Gutes bewirken wird. Es trägt schon bald zum Humusaufbau bei, stärkt den Waldboden als Trinkwasserspeicher, kühlt die Temperatur im Wald herunter und hilft vor allem, davon ist er auch überzeugt, dass es in 20 Jahren überhaupt noch Wald in der Münchner Schotterebene gibt.

Der Klimawandel ist für die Förster in den Staatsforsten täglich erfahrbare Realität. Geschädigte Bäume müssen sie im Forstenrieder Park nicht lange suchen, auch wenn das regenreiche Frühjahr Entspannung bringt. Der notwendige Waldumbau läuft. Und seit 2016 hilft der Verein Bergwaldprojekt dabei mit. Am Montagvormittag geht es im Forstrevier Unterdill darum, das zu demonstrieren, und vor allem auch zu zeigen, dass jeder Einzelne, jede Kommune, jede Organisation und jedes Unternehmen sich einbringen kann. Ein Mausklick kann etwas bewirken. Denn der Landkreis München baut mit Unterstützung der Energieagentur Ebersberg-München einen Zertifikate-Handel für lokale Klimaschutzprojekte wie im Forstenrieder Park auf.

Die "Aktion Zukunft+" setzt auf der im Landkreis München seit Jahren gängigen Praxis auf, global Zertifikate aufzukaufen, um klimaschädliches Handeln mit Investitionen in fernen Ländern auszugleichen. Landkreis und Kommunen geben Geld für einen Solarpark in Indien, für effiziente Kochöfen in Uganda und den Schutz des Regenwalds auf Borneo. Nun kommt eine lokale Komponente hinzu und das Ganze wird beworben als niedrigschwelliger, partizipativer Einsatz vieler, um gemeinsam der Klimakrise etwas entgegenzusetzen.

Landrat Christoph Göbel (CSU) betont bei der Präsentation der Zukunftsaktie mitten im Forst, dass dies keiner als Chance missverstehen sollte, sich mit Geld freizukaufen. Es gelte, CO₂ einzusparen. Aber zugleich müsse es in der verdichteten Region München, wo "Wohnen, Leben und Arbeiten" dominierten, Mittel und Wege geben, unvermeidliche Emissionen "bei uns und international" zu kompensieren.

Natur und Umwelt: Landrat Christoph Göbel hat die ersten beiden Zertifikate der "Aktion Zukunft+" auf der eigens eingerichteten Homepage erworben. Es sei ein Klacks gewesen, sagt er.

Landrat Christoph Göbel hat die ersten beiden Zertifikate der "Aktion Zukunft+" auf der eigens eingerichteten Homepage erworben. Es sei ein Klacks gewesen, sagt er.

(Foto: Claus Schunk)

Für jeweils 20 Euro kann man auf einer neu eingerichteten Homepage beliebig viele Zertifikate für lokale oder globale Projekte erwerben, die einer CO₂-Reduktion von je einer Tonne entsprechen. Die starke Kompensationswirkung kommt laut dem Geschäftsführer der Energieagentur Ebersberg-München, Willie Stiehler, durch die Mischkalkulation mit den globalen Projekten zustande, bei denen für wenig Geld viel erreicht werde.

Die Energieagentur vermarktet die Zertifikate und wirbt außer um Käufer um findige Köpfe, die lokale Projekte zur CO₂-Kompensation vorschlagen. Ein mit Vertretern aus Forschung und Lehre sowie Interessenverbänden und Kreisräten besetzter Lenkungsbeirat bewertet diese, bevor sie zum Crowdfunding freigegeben werden.

Natur und Umwelt: Der Forstbetrieb München der Bayerischen Staatsforsten wird beim Waldumbau vom Bergwaldprojekt-Verein unterstützt.

Der Forstbetrieb München der Bayerischen Staatsforsten wird beim Waldumbau vom Bergwaldprojekt-Verein unterstützt.

(Foto: Claus Schunk)

Die Projekte werden genau beschrieben, mit einer Summe, die zur Umsetzung erreicht werden muss und auch mit dem bilanziellen Effekt fürs Klima. Bei einer Aktion im Forstenrieder Park können etwa 6000 Tannen, Buchen, Stieleichen, Winterlinden, Flatterulmen und seltene Elsbeeren gepflanzt werden. Damit werden etwa 2,5 Hektar labiler Fichtenwald langfristig ökologisch stabilisiert, wodurch sich laut Projektbeschreibung auf 20 Jahre gerechnet eine potenzielle CO₂-Einsparung von bis zu 500 Tonnen ergibt. Außer in den Wald der Zukunft kann man in vermehrten Kleeanbau auf landwirtschaftlichen Flächen im Landkreis München investieren oder in Ladestationen für Kühllaster.

"Viele haben noch nicht verstanden, wie dramatisch die Situation ist"

Wie dringend gehandelt werden muss, zeigt Peter Naumann, als er mit der Hand die dünne, wie er sagt, wegen der Fichten übersäuerte Humusschicht um die kleine Buche wegschiebt. Der Baum sei eine "Basenpumpe", die Kalzium, Magnesium und Phosphor nach oben transportiere. So entstehe Humus, bei dem sich auch andere Pflanzen wohlfühlten. "Das verändert das Ökosystem sofort."

Unter dem Humus sind etwa 50 Zentimeter Lehmboden und dann Schotter. Laut Stephen Wehner, Geschäftsführer des Bergwaldprojekt-Vereins, wäre der Wald in der Schotterebene ohne Pflanzaktionen mit Bäumen, die Trockenheit besser verkraften, akut in Gefahr. Die Fichten hätten sicher keine Zukunft. In der Folge würde dann der Boden erodieren, sagt er und malt ein Szenario wie in Spanien an die Wand. "Viele haben noch nicht verstanden, in ihrem Alltagsverhalten, wie dramatisch die Situation ist."

Bei der Aktion des Bergwaldprojekt-Vereins im Forstenrieder Park können Bürger anpacken und selbst Bäumchen setzen. Eine Stärke von "Aktion Zukunft+" sei der gemeinschaftliche Charakter, sagt Göbel. Er selbst kaufte schon mal die ersten Zukunftsaktien. In nicht mal einer Minute, sagt er, sei das erledigt gewesen, inklusive der Zusicherung, eine von Herrn Stiehler unterschriebene Spendenquittung zu bekommen. Der Landkreis Ebersberg steigt Göbel zufolge 2024 auch bei der Aktion ein.

Informationen über die "Aktion Zukunft+" sind zu finden unter https://www.aktion-zukunft-plus.de/. Der Bergwaldprojekt e.V. bietet ein- oder mehrtägige Pflanzaktionen an, über die man sich unter https://www.bergwaldprojekt.de/ informieren kann.

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