Marlene Dietrich:Diva mit Haltung

Marlene Dietrich: Einnehmend und schnörkellos liest Claudia Michelsen Texte, die Marlene Dietrichs Weg beschreiben.

Einnehmend und schnörkellos liest Claudia Michelsen Texte, die Marlene Dietrichs Weg beschreiben.

(Foto: Claus Schunk)

Die Schauspielerin Claudia Michelsen widmet sich in ihrer Lesung im Kleinen Theater dem Weltstar und Menschen Marlene Dietrich.

Von Udo Watter, Haar bei München

In dem Lied "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt", das ihre Weltkarriere mit befeuerte, singt Marlene Dietrich die schamlos-unschuldigen Zeilen: "Ich kann halt lieben nur und sonst gar nichts." Die Schauspielerin, 1930 schlagartig berühmt geworden in der Rolle der Varieté-Sängerin Lola in "Der blaue Engel", war wohl in Wirklichkeit tatsächlich eine große Liebende. Weniger freilich in dem Sinne, dass sie als Femme fatale die Männer ständig ins Verderben geführt hätte (wiewohl sie schon Herzen gebrochen hat), als vielmehr eine, die viel zu geben hatte und auf ihre Art auch sehr treu war.

Als romantische Liebende, als großzügige Freundin, als Mutter, als Mensch mit Haltung. "Man kann nicht nur nehmen, man muss auch geben", zitiert sie Claudia Michelsen bei ihrer Lesung am Samstagabend im Kleinen Theater Haar. Die 1969 in Dresden geborenen Schauspielerin widmete ihrer berühmten, 1901 in Berlin-Schöneberg geborenen Kollegin dort eine Hommage - auch jenseits des Bildes vom mysteriösen Vamp, der Diva oder blonden Venus. "Mysteriös sein war entgegen der allgemeinen Annahme nie meine Stärke", trägt Michelsen einen Satz der Dietrich vor.

Marlene Dietrich (30er Jahre)

Marlene Dietrich: Hinter der perfekten Inszenierung als Vamp und blonder Venus steckte eine starke Frau, die mitunter sehr unsicher war, gern ihre Gäste bekochte und nicht vergaß, dass das Leben auch aus Geben besteht.

(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Es ist eine Lesung der puristischen Art. Michelsen, die vor allem durch TV-Rollen ("Polizeiruf 110", "Der Turm", "Ku'damm 59") bekannt wurde, zitiert aus Zeugnissen der Dietrich, aus Aufzeichnungen von Weggefährten wie Josef von Sternberg oder Marlenes Tochter Maria sowie Zeitungsartikeln. Ein Lesepult, ein Stuhl, das obligate Glas Wasser und die Lesebrille auf der Nase - mehr braucht es nicht, um den Abend im recht gut besuchten Theater in Haar zu gestalten. Im Wesentlichen geht die 52-Jährige, die mit einnehmender Stimme liest und ein unprätentiös-sympathisches Flair entfaltet, chronologisch vor. Es wird eine Reise durch "Marlenes Leben", die als disziplinierte Preußin nicht nur im Beruf hochprofessionell war - also viel mehr konnte als "nur" lieben - sondern auch privat und als gesellschaftliche Persönlichkeit mit "schmerzhafter Konsequenz" gelebt hat.

Zu Beginn liest Michelsen aus den Memoiren, welche die Dietrich am Ende ihrer Karriere in ihrer Pariser Wohnung geschrieben hat: Es geht um ihre Kindheit in Berlin. Behütet und großbürgerlich wuchs sie auf, lernte früh Französisch und Geige. Die Liebe zu Frankreich sollte sie immer begleiten, und schon als junges Mädchen zeigte sie während des Ersten Weltkrieges entsprechende Courage, als sie Kriegsgefangenen Rosen zum Bastille-Tag (14. Juli) durch den Stacheldraht reichte.

Die Frau, der nach dem Zweiten Weltkrieg (in dem sie als Sängerin in der US-Army diente) mancher Deutsche sogar Verrat vorwarf, hing indes an der Kultur ihrer Heimat, liebte Goethe und Rilke. "Die Muttersprache ist eine große Kraft", sagt sie. Die an diesem Abend zitierten Passagen machen zudem deutlich, dass sie Humor hatte, dass sie auch unsicher war und keinesfalls überzeugt von ihren Qualitäten. Schön, wie Sternberg ihre Zurückhaltung beim Vorstellungsgespräch beschreibt: "Sie machte nicht einmal den schüchternsten Versuch aufzufallen." Andererseits hatte sie aber diese "eindrucksvolle Gelassenheit" und das "ideale Aussehen" für die Rolle der Lola. Dass "Der blaue Engel" ein Welterfolg werden sollte, daran dachte laut Dietrich beim Dreh niemand, sie selbst ging bald darauf nach Hollywood und drehte unter der Regie von Sternberg "Marokko", den Film, der sie als neue Stilikone definierte - Hosenanzug tragend, lasziv rauchend und eine Frau küssend. Schön wäre es gewesen, wenn das Publikum in Haar hierzu ein paar projizierte Bilder gesehen hätte, die Wandlung von der noch etwas pummeligen Berliner Lola zum Hollywood-Vamp etwa, oder auch wenn mehr musikalische Intermezzi eingespielt worden wären.

Man musste schon auf Vorkenntnisse bauen, da Michelsen auf Interaktion und Erläuterung weitgehend verzichtete. Dass die Dietrich mit Remarque eine Affäre hatte, wird etwa nicht erwähnt. Die große Liebe Marlenes zu Jean Gabin wird dafür genauer thematisiert, auch die herzzerreißende Geschichte, dass sie nach dem Bruch oft an einem Café gewartet habe, um einen Blick auf ihn zu erhaschen. Generell lässt Michelsen den Weg dieser kompromisslosen Frau, die 1992 starb, aber eindringlich aufscheinen, auch die späten Jahre, als sie als Chanson-Sängerin um die Welt tourte und immer wackliger wurde. Die Dietrich - sie hat viele geliebte Menschen verloren und die Einsamkeit kennen gelernt. Aber anders, als sie prophezeite, bleibt sie unvergessen.

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