Klassik:Klaviergirlanden und Klangkaskaden

Klassik: Vier gewinnt: Die Violinistin Nina Karmon, Oliver Triendl am Klavier, Béatrice Muthelet, Bratsche, und der Cellist Trey Lee überzeugen im Kubiz.

Vier gewinnt: Die Violinistin Nina Karmon, Oliver Triendl am Klavier, Béatrice Muthelet, Bratsche, und der Cellist Trey Lee überzeugen im Kubiz.

(Foto: Claus Schunk)

Vier namhafte Kammermusiker überzeugen in Unterhaching mit romantisch-klassischem Programm

Von Julian Carlos Betz, Unterhaching

Auch wenn es sich nicht um ein festes Ensemble handelt oder vielleicht gerade deswegen: von Beethoven, über Mendelssohn und Brahms konnten die Violinistin Nina Karmon, die Bratschistin Béatrice Muthelet, der Cellist Trey Lee und Oliver Triendl am Klavier durchweg überzeugen. Dabei hielten die vier Musikerpersönlichkeiten zusammen wie eine eingeschworene Truppe und entwickelten doch ihre eigene Klangfarbigkeit und ihre dynamischen Spitzen. Keine Selbstverständlichkeit bei so erfahrenen Musikern: Muthelet ist Mitglied des Mahler Chamber Orchestra, tritt mit dem Lucerne Festival Orchestra auf und war überdies Mitbegründerin des Quatuor Capuçon. Triendl hat zahlreiche CD-Einspielungen hinter sich, Lee konzertierte unter anderem mit dem London Philharmonic Orchestra und Karmon wirkte in Konzerten unter Zubin Mehta und Pinchas Zukerman mit.

Angefangen mit Beethovens verkapptem Klavierkonzert, alias Klavierquartett in Es-Dur, in dem sich Triendl als charmanter Konzertführer des eigentlich für Bläser geschriebenen Stücks geriert, zeigt sich gleich die facettenreiche Vielfalt des Quartetts. Perlende Triller am Klavier und eine Handschrift, die nicht nur oberflächlich an das Spiel von Triendls Lehrer Gerhard Oppitz erinnert, der zuletzt Anfang 2018 im Pullacher Bürgerhaus gastierte, bilden eine samtweiche Grundlage, auf der sich die Streicher markant einzubetten wissen. Immer wieder tritt das Piano in den Vordergrund mit kleineren Soli, an denen sich Triendl bisweilen nur mit den Fingerspitzen abarbeitet, feinziselierte Klangkaskaden und Mikro-Beschleunigungen schaffen die Grundlage für ein Zusammenspiel, das zwischen Idylle und kurzer Unruhe schwankt. Im zweiten Satz zeigt Trey Lee am Cello sein solistisches Können, entfaltet feinsinnig impressionistische Klangmalereien. Insgesamt merkt man dem Stück seinen Ursprung als Quintett für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott noch an. Trotz der Bearbeitung durch Beethoven bleibt eine an Dramatik sparsame Welt der klanglichen Finessen, in denen selbst das dominante Klavier noch Raum zum Atmen lässt. Auch der Vortrag des Ensembles trägt dazu bei, der sich zwar harmonisch ineinander fügt, aber den letzten Synergie-Effekt ein wenig missen lässt.

Im Sinne der Steigerung gelingt es den Musikern dann im darauffolgenden Klaviertrio von Mendelssohn-Bartholdy in c-Moll eine Atmosphäre romantischer Gelassenheit zu schaffen, wo weder Verzweiflung noch Verklärung herrschen, denen der romantische Kopf so gerne anhängt. Wie eine Umkehrung der programmatischen Ausrichtung von Beethovens Quartett wirkt dieses Trio, die nach innen gekehrte, säuselnde Melodik richtet sich nun expressiv und wirkmächtig nach außen, möchte umbilden, gestalten und wirken. Der erste Satz, überschrieben mit "con fuoco" leitet ein in diese Dynamik, die erst im zweiten Satz zur ersehnten Gelassenheit führt, um schließlich im Scherzo als retardierendem Moment technisch hochrangig von den Interpreten hingehalten zu werden. Erst der vierte Satz bringt dann die epische Aufwertung: von breit-pastos bis geradlinig schwillt der Klangkörper an, die Violine rauscht durch die Obertöne, bis die Melodie in einem Tutti in die lang angekündigte Ekstase übergeht, eingefangen von einer unsichtbaren Hand.

Zum Abschluss nach der Pause steigert sich das Ensemble noch mal. Mit Brahms beliebtem Klavierquartett in g-Moll präsentiert Muthelet an der Viola ihr betörendes Timbre und es kommt zu wuchtigem und scharfem Pathos, das den Abend auf seinen Höhepunkt hindrängt. Während der Wind draußen an den Wänden zerrt, spielen die vier das Andante genau richtig. Nicht verwegen, aber als einen flüssigen Korpus aus tonaler Schrittfolge und grenzüberschreitender Innigkeit. Nach einem packenden Abschluss von trabenden Klavierklängen, die fein von den Streichern flankiert werden, schließt das Ensemble mit einem zackigen Rondo, das in glühender Energie mit spielerischem Erfindungsreichtum in einen gloriosen Schlusspart überführt.

Als kleiner Digestif nach dieser Kür versucht sich das virtuose Quartett in der Zugabe noch an dem Adagio aus Gabriel Faurés Klavierquartett in c-Moll. Der Franzose Fauré war als Komponist durchaus an Brahms orientiert und so wirkt der langsame Satz auch wie eine melancholische Reminiszenz an das Schaffen des romantischen deutschen Komponisten. Mit bewegenden Klaviergirlanden und einem empfindsamen, gleitenden Spiel der Streicher entlässt das Ensemble die Zuhörer in den Abend.

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