Klage wegen Fehlbehandlung:Strafe für die Wunderdoktoren

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Die ehemaligen Chefärzte der Münchner "Alpha Klinik" pfuschten bei der Arbeit - nun müssen sie wegen Behandlungsfehlern Geldstrafen und Schadenersatz zahlen.

Ekkehard Müller-Jentsch

Der eine ließ sich gerne als "Wunderdoktor" feiern. Der andere sieht sich bis heute als einer der Pioniere der endoskopischen Wirbelsäulenchirurgie. Ihr Werbemotto hieß: "Wo andere aufhören, fangen wir erst an." Inzwischen kehrt die Justiz die Reste der einstmals als Promi-Spital beworbenen Münchner Alpha Klinik zusammen.

Ort des Schreckens: die Alpha-Klinik am Effnerplatz, in der die Chef-Ärzte einen Rosenkrieg austrugen und nebenbei schwerwiegende Behandlungsfehler begingen. (Foto: Stephan Rumpf)

Ex-Chefarzt Thomas Hoogland muss wegen fahrlässiger Tötung 36.000 Euro Geldstrafe bezahlen; Ex-Chefarzt Horst Dekkers muss zusammen mit zwei angestellten Ärzten 200.000 Euro Schmerzensgeld an einen gelähmten Patienten bezahlen. Und gegen die beiden sowie ihren Chefarzt-Kollegen Jürgen Toft wird nach wie vor wegen Insolvenzverschleppung ermittelt.

Hoogland hatte im April 2004 die Frau eines in seiner niederländischen Heimat bekannten Politikers an der Halswirbelsäule operiert und dabei an der linken Halsschlagader verletzt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, bei diesem Eingriff massiv gegen die Regeln der ärztlichen Kunst verstoßen zu haben.

Dramatischer, als es heute im Strafbefehl steht, schilderten Klinikmitarbeiter damals, dass der Chefarzt auf die extreme Blutung geradezu kopflos reagiert habe. Eine Anästhesistin und aus benachbarten OP-Räumen hinzukommendes medizinisches Personal hätten ihn geradezu angefleht, bei der Patientin endlich einen entlastenden Luftröhrenschnitt durchzuführen, um die Sauerstoffversorgung sicherzustellen. Doch der Chirurg soll gezögert haben, bis die Patientin schließlich wiederbelebt werden musste.

Andere Ärzte drängten darauf, die Frau eilig in das nahe gelegene städtische Klinikum Bogenhausen zu bringen - zu spät, denn zwei Tage danach starb sie. Wie es bei solch einer endoskopischen Halswirbel-OP überhaupt zu einer derartigen Gefäßverletzung kommen konnte, erscheint Experten heute kaum nachvollziehbar.

Einigung außerhalb des Gerichtssaals

Die Münchner Staatsanwaltschaft hatte in diesem Fall bereits Anklage erhoben, dann aber überraschend wieder zurückgezogen. Jetzt erfuhr die SZ, dass der Fall kürzlich nichtöffentlich mit einem Strafbefehl über 180 Tagessätze zu je 200 Euro beendet wurde. Der in Frankreich in einem Schloss lebende Arzt darf die Strafe in Raten abstottern.

Außerhalb des Gerichtssaals wurde dieser Tage auch der Kunstfehlerprozess gegen Horst Dekkers beigelegt. Er hatte im Herbst 2004 einen Frankfurter Werbekaufmann an der Hals- und an der Lendenwirbelsäule operiert. Anschließend war der Operateur zu einem Kongress in die USA gereist. Nach Zeugenaussagen gaben sich daheim in der Klinik derweil Teilzeit-Doktoren und externe Ärzte die Klinke in die Hand. Sie berichteten ihrem Chef telefonisch von Lähmungserscheinungen des Patienten.

Doch erst nach zehntägigem Hin und Her wurde der auf Initiative eines dieser Doktoren in die Neurochirurgie des städtischen Krankenhauses Bogenhausen verlegt. Angeblich soll Dekkers bis dahin nur Durchhalteparolen durchtelefoniert haben: Das nahe gelegene städtische Klinikum sei nämlich für den Alpha-Klinik-Chef ein rotes Tuch gewesen.

Heute kann sein damaliger Patient sich nur wenige Minuten auf den Beinen halten, sitzt meistens im Rollstuhl. Trotzdem habe Dekkers ihn zum Simulanten abstempeln wollen und durch Detektive überwachen und filmen lassen. Marga Wolpert, Anwältin des Patienten: "Das war kein Einzelfall" - der Arzt sei auch anderweitig rechtskräftig zu Schadensersatz verurteilt worden, weil laut Urteil einer seiner Eingriffe "medizinisch nicht indiziert" war.

In der Verhandlung hatte der Gutachter zwar an Dekkers OP-Methode kein gutes Haar gelassen. Sie als "groben" Behandlungsfehler zu bezeichnen, dazu konnte er sich aber nicht durchringen. Vielmehr bescheinigte er den ärztlichen Stallwachen, sich fehlerhaft verhalten zu haben.

Allenfalls würde er es für "grob fehlerhaft" halten, falls Dekkers seinerzeit tatsächlich gleich zu Beginn der ersten Lähmungserscheinungen bei seinem Patienten das Personal daheim nur angewiesen haben sollte, den Mann lediglich zu beobachten.

Das Gericht hatte den Parteien am Ende einer wahren Marathonsitzung geraten, 200.000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz zu zahlen. Zunächst mochten sich die Anwälte darauf nicht einlassen. Aber dieser Tage haben sie sich ohne weitere Verhandlung doch dazu durchgerungen: 170.000 Euro bezahlt Dekkers, der inzwischen angeblich in Russland operieren und auch für eine Hilfsorganisation tätig sein soll. 30.000 zahlen die beiden mitbeklagten Ärzte.

Noch nicht abgeschlossen sind nach Auskunft der Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen Hoogland, Dekkers und Toft wegen Insolvenzverschleppung - hier recherchieren die Strafermittler immerhin seit 2008: In diesem Jahr war mit der Übernahme der Alpha Klinik durch die Atos Praxisklinik ein anrüchiges Stück Medizingeschichte in der Stadt samt des schmutzigen Rosenkriegs der drei Chefärzte zu Ende gegangen, in dem unter anderem angebliche sexuelle Übergriffe für Schlagzeilen gesorgt hatten.

© SZ vom 01.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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