Bewahrer der Volksmusik:Sanfte Veränderung

Bewahrer der Volksmusik: Das Adventssingen wie hier im Jahr 2000 gehört für Hans Lederwascher auch dazu.

Das Adventssingen wie hier im Jahr 2000 gehört für Hans Lederwascher auch dazu.

(Foto: Claus Schunk)

25 Jahre lang hat Hans Lederwascher die Volksmusik im Landkreis gepflegt. Zum Jahresende übergibt der Heimstettner, der kürzlich seinen 80. Geburtstag gefeiert hat, sein Amt an zwei Nachfolger

Interview von Irmengard Gnau, Kirchheim

Die Musik begleitet Hans Lederwascher eigentlich schon sein ganzes Leben lang. Geboren vor 8o Jahren, am 27. August 1936 im Sauerlacher Ortsteil Arget, ist Lederwascher seit seinem 13. Lebensjahr auf bayerischen Bühnen unterwegs mit seinen Instrumenten, ob mit Geige, Zither, Klarinette, Tenorhorn oder Saxofon. Die Volksmusik liegt ihm besonders am Herzen; er gründete und leitet mehrere Formationen, von 1987 an veranstaltete er regelmäßig bairische Musikabende in Heimstetten, wo er seit den Siebzigerjahren mit seiner Familie lebt.

1991 übernahm Lederwascher neben seinem Beruf als Versicherungsvertreter das Ehrenamt des Kreisvolksmusikpflegers. Für seinen Einsatz verlieh ihm die damalige Landrätin Johanna Rumschöttel 2009 den Ehrenring des Landkreises. In den 25 Jahren von Lederwaschers Amtszeit entstanden unter anderem ein regelmäßiger Stammtisch für die verschiedenen Gruppen im Landkreis, zahlreiche Hoagartn und fünf CDs. Diese dokumentieren auch, wie sich die Volksmusik in der Region in den vergangenen Jahren verändert hat.

SZ: Wenn Sie zurückdenken an Ihre Kindheit, was ist Ihre erste musikalische Erinnerung, Herr Lederwascher?

Hans Lederwascher: Ich kann mich erinnern, dass ich als kleiner Bub schon vor dem Radiokastl saß und Musik gehört habe, klassische Musik vor allem. Dann natürlich kam bei dörflichen Festen die Blasmusik hinzu - mein Vater war der Leiter der Blaskapelle in Arget, wo ich aufgewachsen bin. Außerdem erinnere ich mich, dass ich gehört habe, wie mein Vater Zither gespielt hat. Das war später auch mein erstes Instrument. Dann kam die Geige. Vom sogenannten Kopfgeld, das jeder Bürger bei der Währungsreform 1948 bekommen hat, hat mir mein Vater meine erste Geige gekauft.

Bewahrer der Volksmusik: Mit der "Spielmusik Hans Lederwascher" tritt Lederwascher seit 20 Jahren auf, unter anderem mit seinem Sohn.

Mit der "Spielmusik Hans Lederwascher" tritt Lederwascher seit 20 Jahren auf, unter anderem mit seinem Sohn.

(Foto: Lra München)

Welche Bedeutung hatte Musik in Ihrer Familie?

Das war für mich einfach eine Selbstverständlichkeit, ich kenne es nicht anders. Wir haben zusammen musiziert, erst mit der Zither, später habe ich auch in den Musikgruppen, die mein Vater hatte, mitspielen dürfen. 1950 hatte ich beim Orchesterkonzert in Sauerlach mit der Geige meinen ersten öffentlichen Auftritt.

Haben Sie immer Volksmusik gespielt?

Die Generation meines Vaters, die hat noch wirkliche Volksmusik gespielt, Landler und Boarische - aber man hat in meinen Kindertagen nie von "Volksmusik" gesprochen. Man hat einfach gesagt "Wir gehen zum Musi machen". Den Begriff Volksmusik habe ich erst in den Rundfunksendungen gehört, die nach dem Krieg langsam aufkamen.

Wo sehen Sie die Volksmusik heute? Bemüht man sich heute bewusster, sich abzugrenzen von anderen Musikstilen?

Ich habe eher den Eindruck, diese ganz strenge Trennung schwächt sich schon wieder ab. In den vergangen Jahren war man teils päpstlicher als der Papst. Heute ist das wieder etwas lockerer, finde ich. Die Großzahl der Volksmusikanten lässt auch andere Musikstile gelten - ich höre zum Beispiel auch gerne Jazz, habe in meiner Jugend auch in einer Münchner Big Band gespielt. Und Klassik sowieso, denken Sie an die Menuette oder Tänze von Mozart - ich bin der Meinung, dass diese Stücke auch gewissermaßen zur Volksmusik gehören. Das waren Gassenhauer in ihrer Zeit. Was ich schade finde, ist dass manche Musiker auf der anderen Seite die Volksmusik nicht ernst nehmen und sie sogar ein bisschen abwerten.

Wie lassen sich junge Generationen wieder für Volksmusik und das gemeinsame Musizieren begeistern?

Wichtig wäre es, das Singen schon bei den Kleinen zu fördern. Das ist etwas, was ich mir als Versäumnis ankreiden muss. Aber meine Nachfolgerin wird das verstärkt in Angriff nehmen und in den Kindergärten und Kitas ansetzen. Ein früher Zugang zum Singen fördert das Gehör und die Musikalität, sagen die Experten. Wichtig ist außerdem, Gruppen zu bilden, damit die Kinder nicht nur einzeln ein Instrument lernen, sondern die Freude daran entdecken, miteinander zu spielen - das ist eine wunderbare Besonderheit der Musik, dass Alte und Junge gemeinsam spielen können, anders als es etwa beim Sport ist. Wir haben beim Landkreis außerdem ein Verleihsystem für Instrumente initiiert - dort können Eltern für ihre Kinder zum Beispiel eine Harfe für ein Jahr ausleihen und können dann entscheiden, ob sie selbst eine kaufen.

In der jüngeren Vergangenheit treten immer mehr Gruppen wie "La Brass Banda" auf, die Volksmusik neue Elemente beimischen - und damit auch ganz neue Zuhörergruppen erschließen. Ist das Fluch oder Segen für die Volksmusik?

Dass sich die Volksmusik verändert, hat es schon immer gegeben. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist vieles anders geworden. Und wenn Lieder beispielsweise in andere Regionen wandern, werden sie auch wieder ein bisserl anders gesungen. Das ist eine gesunde Entwicklung. Aber diese Veränderung sollte nicht mit Gewalt erfolgen. Was manche Gruppen machen, die den Landler absichtlich in einen Rap umwandeln, das sehe ich und sehen viele in der Volksmusikszene sehr skeptisch.

Welche Bedeutung kommt der Volksmusik heute für die Tradierung der bairischen Sprache zu?

Gerade in den Liedtexten kommen viele Ausdrücke vor, die heute sonst gar nicht mehr im Gebrauch sind. So gesehen sind die Lieder durchaus wichtig.

Wie stark ist denn die Volksmusik im Landkreis noch verwurzelt im Vergleich zu anderen Regionen?

Als ich das Amt des Kreisvolksmusikpflegers 1991 von meinem Vorgänger übernommen habe, waren 60 Gruppen und mehr verzeichnet. So viele sind es heute nicht mehr, aber ich schätze, dass es im Landkreis noch etwa zwei Dutzend Instrumentalgruppen und ein Dutzend Gesangsgruppen gibt, die regelmäßig auftreten. Wenn man bedenkt, dass der Großraum München eher als Hightech-Region gilt, ist das sehr stark. Schwierigkeiten haben wir im Bereich Gesang bei den Männern. Aber das kann ja auch einmal wieder umschlagen.

Im Oktober begrüßen Sie zum letzen Mal die Volksmusiker zum Jahrestreffen, bevor Sie Ende des Jahres von Ihrem Ehrenamt zurücktreten. Wie geht es danach weiter - mit Ihnen und mit der Volksmusik im Landkreis?

Mein Posten wird künftig auf zwei Kollegen aufgeteilt: Bärbel Chalupper wird sich besonders um die Bereiche Kinder und auch frühe musikalische Bildung, neue Formen der Volksmusik und fremde Kulturen kümmern. Der zweite im Bunde, Hubert Zellner, hat selbst eine Gruppe und übernimmt dann noch den Bereich bairisch-alpenländische Musik. Diese Aufteilung ist, glaube ich, wirklich sehr sinnvoll.

Ich für meinen Teil freue mich, dass es für mich ein bisschen ruhiger wird - dass man noch darf, aber eben nicht mehr muss. Mit meiner "Spielmusik" werde ich ganz sicher noch bei einigen Hoagartn dabei sein und außerdem werden wir noch in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt ein Sonderkonzert mit Opern- und Operettenmusik geben.

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