Kirchheim:Lieber Geschichten als nackte Fakten

Kirchheim: Gedächtnistrainer Gregor Staub am Kirchheimer Gymnasium. Das Interesse an der Veranstaltung des Elternbeirats war groß.

Gedächtnistrainer Gregor Staub am Kirchheimer Gymnasium. Das Interesse an der Veranstaltung des Elternbeirats war groß.

(Foto: Gregor Bauernfeind)

Von der Acht zur Achterbahn und von der Elf zur Fußballmannschaft. Gedächtnistrainer Gregor Staub verblüfft in Kirchheim mit seiner Assoziationstechnik

Von Gregor Bauernfeind, Ottobrunn

"Ein Mann hält eine Tomate. Aus dieser Tomate wächst ein Erika-Blümchen. Dann kommt der Nikolaus, schnappt sich das Blümchen und geht damit Golf spielen." Schwachsinn? Nein. Eine Eselsbrücke, um sich Thomas Mann und die Namen seiner ältesten Kinder Erika, Klaus und Golo besser merken zu können. Mnemotechniken heißen diese Lernstrategien, auf denen viele der Methoden basieren, die Gedächtnistrainer Gregor Staub auf Einladung des Elternbeirats am Montag im Gymnasium Kirchheim am Vormittag Schülern, am Nachmittag Lehrern und am Abend Eltern vorstellte.

Staub ist Gedächtnisprofi, schon nach wenigen Minuten kann er viele Zuschauer in den ersten Reihen beim Namen nennen. Dabei war der Schweizer selbst gar nicht immer mit einem guten Gedächtnis ausgestattet. Im Gegenteil: Als der damals noch als Betriebsökonom arbeitende Staub Anfang der Neunzigerjahre von einer Dienstreise zurückkam, habe er am Flughafen eineinhalb Stunden lang sein Auto suchen müssen, berichtete Staub in seinem Vortrag am Abend in der Aula des Gymnasiums. Das sei ein Einschnitt gewesen. Er habe sich mit Gedächtnistraining auseinandergesetzt und festgestellt, dass ein gutes Gedächtnis keine Sache des Talents, sondern vor allem des Trainings ist. Bei der Parkplatzsuche am Flughafen habe ihn dann ein bestimmtes Geräusch daran erinnert, wie er wirklich an den Flughafen gekommen war: Mit dem Zug!

Nach diesem Prinzip funktionieren viele von Staubs Lernstrategien. Abstraktes wird mit Gegenständlichem, etwa mit Körperteilen, Orten im Raum, mit Geräuschen oder bekannten Wörtern, verbunden. So wird in Gedanken aus einer Acht eine Achterbahn und aus einer Elf eine Fußballmannschaft, die Assoziationen werden zu Geschichten verknüpft, an die man sich besser erinnern kann als an nackte Zahlen und Fakten. Mit Techniken wie dieser habe er bei seinem Vortrag am Vormittag den Schülern des Gymnasiums innerhalb von Minuten über 20 Wörter auf Thai, alle 28 Länder der EU und eine 20-stellige Zahl beibringen können. "Ich habe in Mathematik Zwischenapplaus bekommen", sagte er.

Auch die 600 Interessierten, vor allem Schülereltern, die am Abend zum Vortrag in die Aula gekommen waren, verblüffte er mit diesen schnellen Lernerfolgen. Seine Assoziationstechnik zeigte er außerdem am Beispiel der letzten acht Amtsvorgänger Barack Obamas: Einmal an den metallenen Rahmen des Flipcharts gehauen - Eisenhower. Daneben fragt ein Bayer einen Unbekannten: "Kenn i di?" - Kennedy. Am Ende der Reihe dann eine Flasche, die am Rand der Bühne steht - Bush.

Viele Gäste waren von ihren schnellen Fortschritten selbst überrascht. Für Staub ist das Teil des Problems. Neben den richtigen Merktechniken sei auch eine gewisse Zuversicht, Gelassenheit und ein gesundes Selbstvertrauen wichtig. Eigenschaften, die man Kindern früh vermitteln solle. "Man kann nur in Entspannung Chancen wahrnehmen, unter Stress gibt es nur Flucht oder Angriff", sagte er. In Sachen Mnemotechniken und ähnlichen Lernstrategien sieht der Gedächtnisexperte im Unterricht noch Luft nach oben. "Es ist wirklich faszinierend, was man mit einfachen Tricks erreichen kann", sagte er. "Das fehlt uns aber in der Lehrerausbildung." Auf die richtigen Inhalte werde sehr viel Wert gelegt, das "Wie?" komme bei der Wissensvermittlung aber immer noch zu kurz. Viele Lehrer hätten ein perfekt ausgebautes Konzept und seien gute Unterhalter, die Dramaturgie ihres Unterrichts stimme - und trotzdem könnten ihre Schüler am nächsten Tag nur noch fünf Prozent des Gelernten abrufen.

Bei Staubs Vortrag vor dem Kollegium am Nachmittag seien die Techniken bei den Lehrern gut angekommen, sagte Schulleiter Matthias Wermuth. Viele hätten sich Staubs Lernsoftware gekauft und planten, die Inhalte im Unterricht anzuwenden. Die stellvertretende Schulleiterin Lilly Nürnberger erinnert sich an Staubs Besuch 2006 in Kirchheim. Schon damals aktive Lehrer würden die Methoden des Gedächtnisexperten auch heute noch in den Unterricht einbeziehen. Staubs Vortrag war schon die dritte Ausgabe der Infotainment-Reihe des Elternbeirats um Susanne und Harald Sigethy. Der Referent verzichtete auf eine Gage, die drei Euro Eintritt gingen an den Elternbeirat. Im Gegenzug hatte Staub Gelegenheit, sein Lernprogramm zu verkaufen, was rege in Anspruch genommen wurde.

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