Aktion gegen Minen:„Jede falsche Bewegung kann Leben kosten“

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Realitätsnahe Demonstration: Auf dem Gelände der Landesgartenschau in Kirchheim zeigen Mitarbeiter der Organisation Handicap International, wie Landminen entschärft werden und wie diese in Kriegsgebieten versteckt werden - zum Teil zusammen mit Spielzeug, um bewusst Kinder anzulocken. (Foto: Sebastian Gabriel)

Die Organisation Handicap International demonstriert auf der Landesgartenschau in Kirchheim an Attrappen, wie Landminen aufgespürt und entschärft werden. Und welche Gefahren von Kinderspielzeug ausgehen können.

Von Anna-Maria Salmen, Kirchheim

Auf den ersten Blick sieht die kleine, mit Holzbalken umrandete Fläche aus wie ein ganz normales Blumenbeet. Sonnenblumen ranken sich neben rosafarbenen Geranien und lila Stauden in die Höhe, am Rand steht ein Olivenbäumchen. Doch die rot-weißen Absperrungen und Gefahrenschilder deuten darauf hin, dass hier doch etwas anders ist. „Danger Mines“ ist zu lesen.

In einem Blumenbeet auf dem Gartenschaugelände hat die Organisation eigens ein künstliches Minenfeld angelegt. (Foto: Sebastian Gabriel)

Echte Gefahr droht hier auf der Landesgartenschau in Kirchheim an diesem Wochenende aber nicht. Die Hilfsorganisation Handicap International hat ein künstliches Minenfeld aufgebaut, um über die perfiden Waffen zu informieren – und um zu zeigen, wie glücklich sich die Menschen hierzulande schätzen könnten, wenn sie sich ohne Risiko im Freien bewegen, sagt Organisator Marcel Ostermaier.

Auch in Deutschland verbergen sich zwar immer noch Blindgänger aus den Weltkriegen im Boden, im Alltag geht aber keine Gefahr mehr von ihnen aus – die Bundesrepublik gilt laut Ostermaier als minenfrei. In 60 Staaten und Gebieten weltweit sieht das anders aus.

Um zu verdeutlichen, wie gefährlich der Alltag für die Menschen dort sein kann, hat Handicap International auf der Landesgartenschau zwischen den bunten Blüten in dem eigens aufgebauten Beet Attrappen versteckt. Eine breite, dunkelgrüne Metallscheibe etwa signalisiert eine Antifahrzeugmine, die dazu gedacht ist, Panzer zu zerstören – aber auch immer wieder Schulbusse oder andere zivile Fahrzeuge trifft. „Minen gefährden Unschuldige auch noch lange nach einem Krieg“, erläutert Eva Maria Fischer von Handicap International.

Hat das Räumkommando eine Mine entdeckt, wird das Feld mit Warnhinweisen abgesteckt. (Foto: Sebastian Gabriel)

Circa 85 Prozent der Opfer von Landminen und explosiven Kriegsresten stammen nach Angaben des Vereins aus der Zivilbevölkerung. Besonders oft geraten auch Kinder in Gefahr. Minen sind zwar oft gut versteckt im Boden, manche Arten zielen aber auch darauf ab, Interesse zu wecken. Zum Beispiel wird immer wieder Sprengstoff in Spielzeug versteckt, etwa in kleinen Lederbällen. Werden die Gegenstände aufgehoben, sind meist schwere oder gar tödliche Verletzungen die Folge.

Um Menschen langfristig davor zu schützen, müssen die Minen entschärft werden. Für die Suche würden inzwischen auch Hunde oder Ratten eingesetzt, erzählt Fischer. Die Tiere können den Sprengstoff riechen und sind zugleich leicht genug, um den Zünder nicht auszulösen.

Bombenentschärfer Jasmin Slomic macht sich an die - in der Realität - gefährliche Arbeit. (Foto: Sebastian Gabriel)

Überwiegend sind aber immer noch Räumungsteams im Einsatz. Experte Jasmin Slomic demonstriert auf der Gartenschau, wie Minenräumer vorgehen: Er trägt eine Weste und einen Helm mit durchsichtigem Visier, um Herz und Kopf zu schützen. Die Hände dagegen müssen frei bleiben: Der Minenräumer braucht sie zum Arbeiten, wie Fischer erläutert.

Mit einem Metalldetektor bewegt sich Slomic langsam auf einen roten Stock am Boden zu, der zeigt, dass hier das potenzielle Gefahrengebiet beginnt. Der Experte nimmt einen langen Stab zur Hand und tastet die nächsten Zentimeter auf der Suche nach einem Stolperdraht ab. Bei ihrer Arbeit müssten Entminerinnen und Entminer hoch konzentriert bleiben, sagt Fischer. „Jede falsche Bewegung kann Leben kosten.“ Zumindest in der Realität: Würde Slomic einen echten Stolperdraht zu fest berühren und dadurch einen Zündmechanismus auslösen, könnten laut Fischer alle Umstehenden im Umkreis von 25 Metern getötet werden.

Langsam und vorsichtig tastet er sich an die Mine - in diesem Fall eine Attrappe - vor. (Foto: Sebastian Gabriel)

Auf der Landesgartenschau kann das an diesem Nachmittag natürlich nicht passieren, trotzdem schlägt der Metalldetektor plötzlich an. Slomic kniet nieder und sticht vorsichtig mit einem dünnen Stab immer wieder in den sandigen Boden, um herauszufinden, an welcher Stelle er weitersuchen muss. Mit den Händen entfernt er vorsichtig den Sand – und findet eine Coladose. Das komme auch in der Realität gar nicht selten vor, wie Fischer sagt.

Ein paar Meter weiter signalisiert der Detektor erneut einen möglichen Fund. Wieder sondiert Slomic und gräbt. „Das sieht jetzt deutlich gefährlicher aus als der Gegenstand zuvor“, sagt Fischer. Der Experte hat eine vergrabene Mine gefunden – oder in diesem Fall eine Attrappe.

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Bei echten Räumungsaktionen würden die Fachleute nun Sprengstoff neben der Mine platzieren. Am Ende eines Tages werden dann alle Fundstücke zusammen zerstört. Auf der Landesgartenschau gibt es dafür keine Notwendigkeit, die Organisation verzichtet auf Knalleffekte.

Eva Maria Fischer war allerdings schon oft bei echten Minenräumungen dabei und hat die Sprengungen miterlebt, wie sie erzählt. „Das ist immer ein erhebender und schöner Moment, wenn man weiß: Es gibt wieder ein paar Gegenstände weniger, die Menschenleben gefährden.“

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