Flüchtlingsunterkunft:Solidarität ja, aber nicht hier

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Landrat Christoph Göbel (rechts) im Gespräch mit Bürgern in Kirchheim, wo am Donnerstag eine neue Flüchtlingsunterkunft der Öffentlichkeit gezeigt wurde. (Foto: Claus Schunk)

Bis Ende 2026 sollen in Kirchheim ukrainische Geflüchtete in Containern wohnen. Bei einer Besichtigung der Anlage äußern viele Anwohnerinnen und Anwohner ihren Unmut.

Von Elisabeth Marx, Kirchheim

Wie sehr das Thema Flucht und Migration die Menschen aktuell umtreibt, zeigt sich in Kirchheim: Annähernd hundert Anwohner haben sich nach Zählung des Landratsamts am Donnerstagabend trotz Kälte an der neuen Containeranlage am Wildapfelweg versammelt. Dorthin hatte die Kreisbehörde die Einwohner der Gemeinde eingeladen, damit diese sich selbst ein Bild von der Flüchtlingsunterkunft machen können. Von Mitte Oktober an sollen dort etwa hundert Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine einziehen, die übergangsweise im Hotel Dormero wohnen.

Landrat Christoph Göbel (CSU) und Bürgermeister Stephan Keck (SPD) sahen sich einem Kreuzverhör von Bürgerinnen und Bürgern ausgesetzt. Zwar stellte kaum jemand der Anwesenden infrage, dass die Unterkunft gebraucht werde; was aber etliche stört, sind die Lage und die ihrer Meinung nach wenigen Informationen, die es zu der Unterbringung vom Landratsamt und der Gemeinde gebe. Eine kleine Gruppe unterbrach Göbel und Keck mehrmals lautstark.

Die Adresse, an der die aufeinandergestapelten Container stehen, kennt Googlemaps nicht. Nur Eingeweihte und Anwohner wissen, dass die Flüchtlingsunterkunft im Lindenviertel liegt: am Schlehenring und direkt neben zwei Reihenhausriegeln. „Noch näher geht ja wohl kaum“, empört sich Anliegerin Helga Bauer. „Das ist weder für die Ukrainer noch für uns schön.“

In der Tat grenzt die Containeranlage direkt an die Gärten der anliegenden Häuser. Ein Zaun mit Sichtschutz trennt die Grundstücke. „Das ist doch unmenschlich“, finden einige Kirchheimerinnen und Kirchheimer. Aus dem Landratsamt heißt es, die Bauträgerfirma, der die acht Häuser gehören und die diese vermietet, habe um die Absperrung gebeten. Einer der Mieter ist Özgut Tatli. Als er mit seiner Familie einzog, wusste er nach eigenen Worten bereits von den Plänen. Überrascht sei er jedoch, dass die Container bis Ende 2026 bleiben sollen. Jetzt hofft er, dass Familien zuziehen.

Spartanisch: ein Zimmer in der Containeranlage in Kirchheim. (Foto: Claus Schunk)

Zur Containeranlage gehören zwei Gebäude mit insgesamt 32 Wohnungen für jeweils maximal sechs Personen. Die Anlage bietet somit Platz für bis zu 192 Menschen. Das werde man aber nicht vollends ausschöpfen, versichert Landrat Göbel. „Eine Unterkunft gilt mit 70 bis 80 Prozent als voll belegt.“ Wenn etwa eine fünfköpfige Familie einzieht, besetze man das sechste, freie Bett nicht. Die Sorge nach jüngsten Gewalttaten, dass Syrer und Afghanen einziehen könnten, zerstreut Göbel: Es kämen nur Ukrainer aus dem Dormero-Hotel oder solche, die ihre private Unterkunft verlieren.

Die Bewohner teilen sich drei Schlafzimmer, einen Küchenbereich und ein Bad. Zudem gibt es Waschküchen und zwei Gemeinschaftsräume. Dort bietet die Diakonie soziale Betreuung an. Rund um die Uhr ist zudem ein Sicherheitsdienst in der Anlage. Im Innenhof stehen zwei große schwarze Container. Einer bietet Platz für Kinderwagen, der andere ist für Material des Landratsamtes, wie etwa frische Bettwäsche. Hinzukommen soll noch ein eigener Spielplatz.

Die provisorischen Bauten sind drei Stockwerke hoch. Darüber beschweren sich Nachbarn, ihre Häuser bekämen kein Sonnenlicht mehr. Stattdessen machten Scheinwerfer in der Anlage die Nacht zum Tag. „Wenn die Lampen an den Containern durch den Bewegungsmelder angehen, fühlt man sich wie auf einem Fußballplatz. Das geht so nicht“, ärgert sich eine Anwohnerin.

Die Sorge der Anwohner: Aus Containern könnte eine Dauereinrichtung werden

Einige äußern Sorge, dass der Wert ihres Hauses durch die nahe Unterkunft sinkt. Wieder andere überlegen, ob sie woanders hinziehen sollen. Detlef Gossrau etwa hat erst kürzlich mit seiner Frau eine Wohnung in der Straße besichtigt. Ob er einzieht, weiß er nicht. Martin S. wiederum will wissen, ob die Familien in der Unterkunft seinen Kindern die Kitaplätze wegnehmen. Laut Landrat Göbel wird dies nicht geschehen: Die ukrainischen Familien lebten schon in Kirchheim, ihre Kinder seien bereits in Kindergarten, Schule und Sportverein integriert.

Dass die Container, wie vom Landratsamt zugesichert, nur bis Ende 2026 stehen bleiben sollen, bezweifeln viele Anwesende. Sie vermuten, dass aus der Not Gewohnheit und somit eine dauerhafte Lösung wird. Das Landratsamt beteuert, man habe keine Verlängerung von der Gemeinde Kirchheim erhalten. Wo die Ukrainerinnen und Ukrainer danach wohnen könnten, ist unklar. Landrat Göbel hofft, dass der Krieg bis dahin vorbei sein wird und sie in ihr Heimatland zurückkehren können. Ansonsten müsse man nach anderen Lösungen schauen.

Rolf Siegel vom Helferkreis Asyl hat Verständnis für die Vorbehalte. „Dass es Widerstände gibt, ist ganz normal“, sagt er.

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