Meine zweite Heimat:Bekannter als der Bürgermeister

Meine zweite Heimat: Samba Sow und seine Frau Sanou Dieng haben sich in Kirchheim ein neues Leben aufgebaut und eine Familie gegründet.

Samba Sow und seine Frau Sanou Dieng haben sich in Kirchheim ein neues Leben aufgebaut und eine Familie gegründet.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Sanou Dieng und Samba Sow aus dem Senegal haben in Kirchheim viele Freunde und einen Job gefunden.

Von Anna-Maria Salmen, Kirchheim

"Jeder hier kennt Samba, er ist wie der Bürgermeister", scherzt Sanou Dieng und lächelt ihren Mann Samba Sow an. Seit mittlerweile zehn Jahren ist der Senegalese nun in Kirchheim zuhause. "Es ist wie eine neue Heimat", sagt der 29-Jährige. Mit der Zeit hat er sich ein großes Netzwerk aufgebaut. Normalerweise dauert es zu Fuß von ihrer Wohnung aus nur etwa fünf Minuten bis zum Supermarkt, erzählt seine Frau. "Aber wenn ich mit ihm zusammen gehe, brauchen wir viel länger, weil er so viele Leute trifft."

Bis er sich so integrieren konnte, musste Sow viel durchmachen. In seiner Heimat war er politisch aktiv - in der falschen Partei, wie er berichtet. Nachdem die gegnerische Fraktion die Präsidentschaftswahlen gewann, wäre es für Sow gefährlich geworden. Als Heranwachsender entschied er sich zur Flucht. Sieben Tage lang war er in einem Boot auf dem Meer unterwegs. Sechs oder sieben Mitreisende, erinnert sich Sow, haben die Fahrt nicht überlebt. "Ich selbst hatte auch große Angst." Die Erleichterung, die Küste von Gran Canaria zu erblicken und dort anzulegen, merkt man ihm auch Jahre später noch an. In Spanien blieb Sow rund vier Jahre, aber die Perspektiven waren schlecht. Über Frankreich kam der junge Mann im Herbst 2013 nach Deutschland.

Dort erwartete ihn eine neue Herausforderung. Er sprach Spanisch und Französisch, Deutschkenntnisse hatte er keine. Das war die größte Schwierigkeit bei seiner Ankunft. "Egal ob ich eine Mail schreiben oder etwas beantragen musste, ich habe immer Hilfe gebraucht." Unterstützung bekam er vom Helferkreis.

Innerhalb von nur drei Monaten fand Sow Arbeit in einem Restaurant, eine Ehrenamtliche empfahl ihm jedoch, eine Ausbildung zu machen. Sow entschied sich für die Logistikbranche und kam zu einer Heimstettener Firma, bei der er noch heute arbeitet.

Auch privat fand der 29-Jährige schnell Anschluss: "Ich habe viele deutsche Freunde." Gleichzeitig ist es ihm wichtig, seine Wurzeln zu bewahren, sagt er. Sow zeigt auf dem Handy Fotos von sich und einigen Bekannten in traditioneller senegalesischer Kleidung. Entstanden sind sie bei einem Fest mit Landsleuten in München. Bei einem solchen Anlass lernte er auch seine Frau Sanou kennen, die 2018 zunächst zum Studieren nach Deutschland kam und mittlerweile eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin macht. Vor knapp drei Jahren heirateten sie, bald wird ihr erstes Kind auf die Welt kommen.

Die junge Familie sieht ihre Zukunft in Kirchheim. Hin und wieder vermissen sie den Senegal dennoch. Sanou Dieng hat Angehörige in München, Samba Sow nicht. Er plant deswegen, seine Verwandtschaft im Sommer in Westafrika zu besuchen. "Ich bin alleine nach Deutschland gekommen, dann kehre ich mit einer Familie zurück."

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