Die Artenvielfalt schwindet:Der Vogelzähler

Klaus Schmitz mit Fernglas, Kirchheim-Heimstetten

Der Heimstettener Klaus Schmitz ist viel mit seinem Feldstecher unterwegs.

(Foto: Florian Peljak)

Buchfink, Zeisig und Co.: Klaus Schmitz dokumentiert, welche Vögel er in und um Kirchheim sieht. Seine Beobachtungen erfüllen ihn mit Sorge.

Von Magdalena Mock, Kirchheim

Was ist ein Raubwürger? Hinter dem martialisch anmutenden Namen verbirgt sich kein gemeingefährlicher Verbrecher, sondern eine faszinierende und seltene Vogelart, weiß Klaus Schmitz.

Der Hobby-Ornithologe aus Heimstetten engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich für den Vogelschutz und dokumentiert die Bestände der hiesigen Vogelwelt. Ihm ist es zu verdanken, dass überhaupt fundierte Kenntnisse über die Ornithologie im östlichen Landkreis vorhanden sind.

Aktuell hat Schmitz an der Aktion "Stunde der Wintervögel" des Bundes Naturschutz (BN) und des Landesbunds für Vogelschutz teilgenommen. Um mehr darüber zu erfahren, wie sich die verschiedenen Arten in den Gärten entwickeln, hat er zwei Tage lang die Wintervögel in seinem Garten gezählt. Elf Vogelarten notierte sich Schmitz während der zwei Beobachtungstage. Am häufigsten lassen sich überraschender Weise Feldsperlinge in seinem Garten blicken. Ihr Bestand ist in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen.

Selten, aber noch vorhanden - der Zeisig und der Buchfink

Ebenfalls selten, aber doch vorhanden, sind Zeisig und Buchfink. Seine Beobachtungen hat der Amateur-Ornithologe vergangenen Montag an den BN weitergeleitet und wartet nun gespannt auf die Auswertung. Sein größtes Interesse gilt allerdings weniger dem Garten, vielmehr den heimischen Feldvögeln der Region.

Schmitz' Leidenschaft für das Federvolk hat ihre Anfänge in der Nachkriegszeit: Sein damaliger Biologielehrer gründete eine Arbeitsgemeinschaft für Schüler von 14 Jahren an. Sie seien sehr viel raus in die Natur gegangen und hätten unter anderem eben auch Vögelbeobachtet. "Das hat mich wahnsinnig fasziniert, ich war mit Herz und Seele dabei", erinnert sich der 77-Jährige. Trotzdem dauerte es nach der Schule noch einige Zeit, bis er sich ernsthafter mit der Ornithologie beschäftigte. Sein erstes Vogelbuch kaufte sich Schmitz während eines Englandurlaubs in einem kleinen Buchladen im malerisch-wilden Exmoor. Hier hatte er mit seinem Schwiegervater Schwarzkehlchen beobachtet und wieder richtig Feuer gefangen.

Einmal in der Woche streift der Amateur-Ornithologe durchs Kirchheimer Moos

Schon bald danach musste er sich jedoch zwischenzeitlich wieder von der Vogelkunde verabschieden: Zehn Jahre machte er Pause wegen der Erkrankung seiner Frau. "Das war eine schwierige Zeit, die Gott sei Dank vorbei ist", erzählt Anita Schmitz. Seit ihrer Genesung 1989/90 ist ihr Mann wieder auf Feldern und Fluren unterwegs. Sie ist sichtlich stolz auf ihn. "Alles was er sieht und hört, schreibt er auf", erzählt sie. Einmal in der Woche hängt sich der Amateur-Ornithologe den Feldstecher um, schultert sein Spektiv und streift damit durch das Kirchheimer Moos, wenn es sein muss auch bei Wind und Wetter.

Früher war er von Aufgang bis Untergang der Sonne aus dem Haus, "wie sich das für einen Ornithologen gehört". Mittlerweile sei er aber zum Nachtmenschen geworden und drehe seine Runde zwischen Auffangraben und Speichersee eher von mittags bis abends, erzählt der Vogelkundler. "Man wird älter", sagt er lächelnd, fast entschuldigend.

Seit 2014 stellt Schmitz in den Kirchheimer Mitteilungen regelmäßig einen "Vogel des Monats" vor. Das pädagogische Element ist ihm wichtig. Er möchte die Menschen für die Vielfalt der Natur begeistern und auf deren Verletzlichkeit aufmerksam machen. In der Gemeinde hat er bereits einen richtigen kleinen Fanklub, der seine Artikel sammelt. Und auch außerhalb der Gemeindegrenzen bleibt sein Engagement nicht unbemerkt: Vor Kurzem wurde Schmitz bei der Umweltehrung des Landkreises für seinen Einsatz zum Schutz der Natur ausgezeichnet.

Klaus Schmitz macht einen klaren Trend zum Artenrückgang aus

Ist er im Moos, spricht der Vogelkundler seine Eindrücke in ein kleines Diktiergerät. Die Ergebnisse wertet er anschließend zu Hause aus. Akribisch hält er seine Beobachtungen in Tabellen und Diagrammen fest. Die Software zur Datenerfassung hat der gelernte Entwicklungsingenieur selbst geschrieben. Ihn interessiert nicht nur, wie rar eine Vogelart ist und wie viele Exemplare es davon gibt, sondern auch, warum sich welche Vögel in den Feldern und Fluren um Kirchheim ansiedeln, oder wie sich der Klimawandel auf die Tiere auswirkt. Um solche Fragen beantworten zu können, beobachtet Schmitz geduldig und genau immer das selbe Gebiet. "Nur durch die Regelmäßigkeit kriegt man mit, was in der Natur passiert", erklärt er.

Vögel leben immer häufiger in Dörfern und Städten

Der Feldsperling ist selten geworden. Dennoch hat ihn Schmitz in seinem Garten beobachtet.

(Foto: Florian Peljak)

Die Schlüsse, zu denen Schmitz aufgrund seiner Beobachtungen kommt, sind keine besonders frohe Kunde für Naturliebhaber: Es gibt einen klaren Trend zu Verarmung und Artenrückgang. Besonders körnerfressende Vögel hätten es schwer, berichtet Schmitz. Er vermutet, dass ein Grund dafür die intensive und immer effektiver werdende Agrarwirtschaft ist. Den Bauern möchte er aber keinen Vorwurf machen. Ihnen könne man es schließlich kaum verdenken, dass sie Ertragseinbußen zugunsten der Feldvögel nicht einfach hinnähmen. Schmitz sieht die Politik in der Pflicht. Ohne gezielte Hilfsmaßnahmen, fürchtet er, sei das Schicksal vieler Arten wohl besiegelt.

Klaus Schmitz möchte seinen Teil zum Erhalt der Artenvielfalt in der heimischen Vogelwelt beitragen. Weil der Rückgang mancher Arten, wie etwa des Buchfinken, ihm Rätsel aufgibt, bleibt er eisern bei der Sache: Um dem Artenschwinden auf den Grund zu gehen, wird er auch in Zukunft jede Woche zum Beobachten ins Kirchheimer Moos ziehen.

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