Kirchenmusik:Im Dienste der Königin

Lesezeit: 3 min

Diese Orgel hat eine Seele, sagt Chorleiter und Organist Eduard Hitzler über das "majestätische" Instrument in Sankt Nikolaus. (Foto: Claus Schunk)

Eduard Hitzler, der langjährige Organist und Chorleiter der Sankt-Nikolaus-Kirche in Brunnthal, nimmt Abschied

Von Marie Hesslinger, Brunnthal

Eduard Hitzler sitzt in der Sankt Nikolaus Kirche in Brunnthal vor seiner Orgel. "Noch bist du stumm. Aber wenn ich dir jetzt Luft gebe, dann belebe ich dich", sagt er. Diese Orgel habe eine gewisse Ausstrahlung, ja eine Seele. Ein paar Sekunden, bevor man den ersten Ton spiele, frage man sich: Wie spielt sie heute? Ihr Spiel hänge mit der Raumtemperatur zusammen, mit der Luft, mit einem selbst. Dann erweckt er sie zum Leben. Seine beiden Hände, seine Füße, ja selbst seine Lippen, sie alle bewegen sich jetzt unabhängig voneinander. Und das Kirchenschiff füllt sich mit Klang. Dröhnende Pfeifen übertönen den strömenden Regen. Hitzler sagt: "Heute klingt sie ein bisschen wehmütig. Da war ein gewisser Schauer."

Eduard Hitzler begann mit 19 Jahren ehrenamtlich für die Pfarrgemeinden in Faistenhaar, Hofolding und den umliegenden Dörfern Orgel zu spielen. Seit 14 Jahren ist er Chorleiter und Organist der Sankt-Nikolaus-Kirche. Jetzt will sich der 64-Jährige aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen. Am Sonntag wird ihn der Pfarrverband Höhenkirchen mit einem Dankesgottesdienst um 11 Uhr in Faistenhaar verabschieden. "Aber nach so vielen Jahren einen Schnitt machen ... Ich könnte jetzt nicht ganz aufhören", sagt Hitzler, und für einen Moment scheint er selbst zu erschauern. Wann immer man ihn in den Kirchen brauche, werde er einspringen. Als er 1973 seine erste Stelle in Faistenhaar und Hofolding übernahm, merkte er: "Hoppala, da musst du weitermachen." Er habe gespürt: "Das ist meine Berufung."

Hitzler wuchs in Ottobrunn in einer musikalischen Familie auf. Mit vier Jahren sang er bei Konzerten solo, mit sechs Jahren wollte er Klavierunterricht nehmen. Als er zehn war, schickten ihn seine Eltern auf das Priesterinternat Schloss Fürstenried. Mit 13 Jahren begann er dort mit dem Orgelspiel. "Zur damaligen Zeit war das irre. Eine Ehre, das durfte nicht jeder", erinnert er sich. Während andere Jungs an den Wochenenden nach Hause fuhren, spielte er als Organist bei den Sonntagsmessen. Die Priesterschule war hart. Dennoch: Er habe viel gelernt. Es waren die Mädchen, die ihn davon abhielten, eine Priesterkarriere anzustreben. Gläubig ist Hitzler bis heute. "Irgendwie haben sich die Probleme, die ich hatte, immer gelöst - nicht so, wie erwartet, aber so, dass ich hinterher dachte: Das war schon gewollt", sagt er. In die Nikolaus-Kirche, deren Türen immer offen stehen, geht er am liebsten. Ihre 1977 erbaute Orgel sei zeitlos, lobt er, an ihr könne man moderne Stücke ebenso spielen wie Barock. An einer Seitenwand klebt das Schwarz-Weiß-Foto ihres Erbauers Rudolf Kubak. "Eine Orgel ist ein Meisterwerk der Handwerkskunst", schwärmt Hitzler, "die filigranen Drähtchen und Leisten, die ineinander spielen - von innen sieht sie wirklich toll aus." Alle fünf Jahre hängt Hitzler von den 800 Pfeifen eine nach der anderen vorsichtig aus und pustet rein, um sie vom Staub zu befreien.

Der Rentner baut nicht nur Orgeln auseinander, auch andere Musikgeräte repariert er gerne. Verschmitzt lächelnd erklärt er: "Meine Frau und ich, wir basteln gerne." Anders als bei CD- und Mp3-Spielern könne man bei Schallplatten noch die Obertonschwingungen hören. Hitzler schlägt auf der Orgel ein C an und fragt: "Hören Sie die das? Da schwingen die Quinte und die Oktave mit." Es ist sein Hobby, auf Flohmärkten kaputte Spulentonbandgeräte und Plattenspieler zu entdecken und diese wieder zum Leben zu erwecken.

Beruflich leitete Hitzler das Sozialamt in Ottobrunn. Eine Arbeit, die er "äußerst interessant" fand. Berufsmusiker wollte er nicht werden - "sonst wäre es ja keine Berufung mehr". Dennoch studierte er nebenberuflich Kirchenmusik in der Erzdiözese München-Freising und am Mozarteum in Salzburg. Auch mit seinen Chormitgliedern besuchte er regelmäßig Fortbildungen. Für ihn waren die Chöre ein "gesellschaftliches Ereignis": Man habe sich geholfen und zusammen gehalten.

Hitzler stimmt zu einem Lieblingslied an: der Kanon in D-Dur von Johann Pachelbel. Sein Fuß drückt auf eine Taste, mit der sich ein Stern, der am Rückpositiv über den Kirchenbänken hängt, klimpernd zu drehen beginnt. Dann singt Hitzler ein irisches Segenslied: "Möge die Straße uns zusammenführen und der Wind in deinem Rücken sein." Seine Stimme klingt noch immer schön. Nachdenklich packt er seine Noten zusammen. Überprüft mehrmals, ob die Orgel richtig ausgeschaltet ist. Über den Tasten hängt in Klarsichtfolie eine Erinnerung an seine Kollegen, damit auch sie die Orgel ordentlich abschalten. Ihren Klang beschreibt er mit einem Wort: "Majestätisch!" Für ihn ist sie "die Königin der Instrumente".

© SZ vom 25.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: