Kinderwagen-Verbot im Café:Bitte nicht stören!

"Wir müssen leider draußen bleiben." Ein Eintrittsverbot, das früher nur für Hunde galt, gibt es inzwischen auch für Kinderwagen. In München tobt ein Kulturkampf zwischen Familien und Menschen, die ihre Ruhe haben wollen.

Katharina Riehl

In München-Schwabing, dort wo die Straßen breit sind und die Häuser alt, wo die Laubbäume den Blick auf Feinkost und Biokäse des Elisabeth-Marktes versperren, da hängt in einer Glastür ein kleiner, weißer Zettel. "Bitte nicht in der Weinhandlung" ist darauf zu lesen, darüber hat jemand einen Kinderwagen gezeichnet. Und den Kinderwagen durchgestrichen.

Kinderwagen-Verbot im Café: In der Weinhandlung Backerl herrscht ein Kinderwagenverbot.

In der Weinhandlung Backerl herrscht ein Kinderwagenverbot.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

In der Weinhandlung Backerl - zur Hälfte Laden, zur Hälfte Bar - ist es zu eng für Kinderwagen, sagt die Chefin. Weil, wenn da vier Wagen stehen, sonst niemand mehr hineinpasst. Kein Gast und kein Kellner. Außerdem könnte jemand stolpern und ein heißes Getränk in einen Kinderwagen schütten. Deshalb hat Katja Stefan schon bald nach der Eröffnung im Dezember 2006 das Schild in die Glastür gehängt. Schließlich gebe es in der Stadt genug andere Cafés, in denen Platz sei für Mutter, Kind und Kinderwagen. Sie aber habe eine "Weinbar konzipiert". Einen Platz für Menschen, die für Besprechungen oder nach der Arbeit aus den Büros und Kanzleien herüberkommen. Wo also, so sagt Katja Stefan das aber natürlich nicht, keine brüllenden Gören nach der Brust ihrer Mutter verlangen.

Ähnliche Geschichten von rot umrandeten Schildern mit Kinderwagen gleich über den rot umrandeten Schildern mit Hunden gibt es schon länger. In München hat die Innenstadt-Filiale der Kette Bohne und Malz einen eigens dafür gedachten Kinderwagen-Parkplatz vor der Tür. Große Aufregung gab es über Fälle in Hamburg, Augsburg, Zürich, auch hier wurden Eltern nur ohne Kinderwagen ins Café gelassen.

Es ist früher Abend, im Backerl ist es ziemlich leer, und so schrecklich eng sieht es in der 20 Quadratmeter großen Bar mit den wenigen kleinen Holztischen gar nicht aus. "Das täuscht", sagt Katja Stefan, "das liegt an den großen Fenstern". Draußen - in Lammfelle und Fließdecken gewickelt - haben die ersten Feierabendgäste die ersten Viertel Wein vor sich stehen. Ein graugelockter Wochenzeitungsleser sitzt da, die weißhaarige Dame zwei Tische weiter blättert in einem Reiseführer für das Piemont.

Die Weinhandlung Backerl in Schwabing und das selbstgemalte Schild in der Tür zeigen einen Kulturkampf, der mittlerweile in allen größeren deutschen Städten ausgetragen wird: der Kampf zwischen den Kinderlosen, die nicht verstehen, warum junge Eltern mit ihren schreienden Kindern unbedingt im Café sitzen müssen, wo es doch so viele schöne Spielplätze gibt. Und den Eltern, die nicht glauben mögen, dass viele Menschen mit Kindergeschrei so wenig zurecht kommen, dass in Wohnanlagen Schilder das Spielen verbieten - oder ein Baby in manchen Gaststätten weniger gern gesehen ist als ein Terrier.

Erst vor wenigen Wochen berichtete ein deutsches Magazin über handfeste Grabenkämpfe in Hamburgs Nobelvierteln. Dort klagen Villenbesitzer gegen die Betreiber von Kindertagesstätten, die auf die Idee gekommen waren, mit den zu betreuenden Kindern ein hübsches Haus in einer hübschen Wohngegend beziehen zu wollen. Der Lärm spielender Kinder beeinträchtige Lebensqualität und Gesundheit der Anwohner, argumentieren die Kläger. Andersherum funktioniert das mit der Aufregung natürlich auch: Im vergangenen Jahr wurde ein Berliner Café-Besitzer von aufgebrachten Eltern (und von diesen Eltern aufgestachelten Medien) extrem angefeindet: Er hatte seine stets von vielen Eltern und Kindern besuchte Gaststätte um einen kleinen Ruheraum erweitert, in den sich kinderlose Gäste zum Lesen zurückziehen können.

"Man kann es nie allen recht machen"

Katja Stefan, die Chefin des Weinladens, eine zierliche Frau mittleren Alters, drapiert Trauben in der Vitrine auf der Theke. Fragt man sie, ob ihre Haltung gegenüber Kinderwagen nicht diskriminierend sei, reagiert sie ziemlich routiniert. Sie sei schon oft angefeindet worden, sagt sie. Mit Kinderfeindlichkeit habe das alles nichts zu tun. "Ich habe selber Kinder." Es sei vielmehr eine Frage von "gegenseitiger Toleranz", sagt sie. Die Mütter sollen tolerieren, dass Kinderwagen in dieser Bar leider nicht toleriert werden können. Oder so ähnlich.

Sparpaket - Elterngeld

So manch eine Mutter bezeichnet die Verbotsschilder für Kinderwagen als "Diskriminierung".

(Foto: dpa)

14.306 Kinder sind im Jahr 2009 in München auf die Welt gekommen - mehr als im Baby-Boom-Jahr 1969. Eine Rekordzahl, vor allem im Vergleich zur restlichen Republik, wo man die geringen Geburtenzahlen mit Sorge betrachtet und mit familienpolitischen Maßnahmen in die Höhe zu treiben versucht. So steht es München natürlich gut, in Sachen Nachwuchs die Statistik anzuführen. Auch sonst gilt die Stadt als vergleichsweise familienfreundlich.

Man verbiete den Eltern ja nicht grundsätzlich, ihre Kinder mitzunehmen, sagt Stefan. Nur eben ohne die Wagen. Sie spricht dann noch von ihrem Publikum, vom Wein, davon, dass nun mal kein Schild an der Tür sei, das ihre Gaststätte als Tagescafé ausweise. Und sie erzählt von den Müttern, die überhaupt nicht verstünden, dass eine Weinbar nicht der richtige Ort für Kinder sei. Und die abends ihre Männer schicken, die sich dann schrecklich darüber beschweren, dass Frau und Kind tagsüber die Zufahrt untersagt wurde.

Je mehr sie erzählt, desto klarer wird, dass man Katja Stefan nichts Falsches unterstellt mit der Annahme, dass sie die vom Schild auf Dauer abgehaltenen Mütter sehr gerne in Kauf nimmt. Sie sagt dann noch einen Satz, von dem sie weiß, dass sie sich damit nicht sehr beliebt machen wird: "Ich sehe nicht ein, dass die ganze Welt nur für junge Mütter gemacht sein muss."

Im Internet, dort also, wo die Aufregung bekanntlich meistens ziemlich groß ist, ist auch die Aufregung über Kinderwagen-Schilder an Cafétüren ziemlich groß. "Diskriminierung!" schreibt eine Diana unter einen Artikel zum Thema auf der Eltern-Website Liliputlounge.de. "Eine absolute Frechheit ist das, eigentlich müsste man gegen solche Menschen Klage einreichen." Was natürlich nichts helfen würde, weil jeder Ladenbesitzer selbst entscheiden darf, ob Dackel und Kind beim Kaffeetrinken zusehen dürfen oder nicht. "Wir können nur Empfehlungen aussprechen, man ist hier auf Freiwilligkeit angewiesen", heißt es aus dem Münchner Sozialreferat.

Katja Stefan wird ihr Schild behalten, im Kampf der Kinderlosen gegen die Supermuttis hat sie sich für das leise Publikum mit den Reiseführern entschieden. Es sei doch immer so, sagt sie: Der eine will in der Sonne sitzen, der andere im Schatten. "Man kann es nie allen recht machen."

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