Kinderbetreuung in der Pandemie:In den Kitas herrscht fast Normalbetrieb

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In den Schulen hält sich der Bedarf nach Notbetreuung in Grenzen. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Weil die Notbetreuung diesmal allen Eltern offen steht, sind trotz des Lockdowns teilweise mehr als die Hälfte der Kinder in den Einrichtungen. Das Personal zeigt dafür Verständnis, hofft aber auf eine frühere Berücksichtigung bei den Impfungen.

Von Daniela Bode, Angela Boschert und Anna Jakobs, Haar/Ottobrunn/Oberschleißheim

Eigentlich sind die Kindertagesstätten bis Ende Januar geschlossen. Leer ist es in den Einrichtungen aber keineswegs. Viele Eltern bringen ihre Kinder in die Notbetreuung. Im Vergleich zum ersten Lockdown im Frühjahr wird das Angebot weitaus mehr in Anspruch genommen. Einerseits steht sie anders als im März nicht nur Eltern aus systemrelevanten Berufen offen, sondern allen, die keine andere Betreuungsmöglichkeit für die Kinder haben. Zudem sind viele Eltern am Erschöpfungslimit angelangt. Auch wenn das mehr Kontakte und damit mehr Infektionsrisiko bedeutet, zeigt das Personal dafür Verständnis. Von Gewerkschaftsseite gibt es jedoch Kritik.

Peg Schäfer, Geschäftsführerin der Kindertagesstätte Haar GmbH, begrüßt die Entscheidung, dass es im Ermessen der Eltern liegt, die Dringlichkeit einer Betreuung abzuwägen. "Die Eltern müssen sich nicht rechtfertigen, was uns als Träger entlastet, denn wir müssen nicht entscheiden, ob eine Familie die Tagesbetreuung braucht", sagt Schäfer. In der Einrichtung sind momentan etwa 60 bis 65 Prozent der Plätze belegt. Im März war der Andrang noch deutlich geringer, denn die Eltern mussten damals noch eine Bestätigung ihres Arbeitgebers vorweisen. Die meisten Mitarbeiter freuen sich über den Betrieb. Für die wenigen, die zu einer Risikogruppe gehören und Angst vor einer Corona-Infektion haben, gibt es eine flexible Lösung. Eine Mitarbeiterin arbeite beispielsweise weniger, wenn die Infektionszahlen in der Gemeinde hoch sind.

In den Schulen hält sich der Bedarf nach Notbetreuung in Grenzen. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Im evangelischen Haus für Kinder in Ottobrunn empfänden manche Mitarbeiterinnen die Sorge wegen der Infektionsgefahr als Belastung, aber man hoffe nun auf die Impfungen, sagt Leiterin Mona Schweiger. "Es gibt den Wunsch, dass diese auch für Erzieherinnen früher kommt", sagt Schweiger. In der Einrichtung besuchen in der Krippe zwei Drittel der Kinder die Notbetreuung, im Kindergarten sind es 50 Prozent und im Hort etwa 30 Prozent. "Es hängt viel damit zusammen, welche Berufe die Eltern ausüben und welche Möglichkeiten sie zuhause haben", so Schweiger. Sie hat absolut Verständnis dafür, wenn Eltern ihre Kinder bringen. "Natürlich ist das Ziel, die Infektionszahlen zu verringern, aber ich verstehe es auch, wenn eine Mama sagt: Ich kann nicht mehr." Außerdem müssten sie ja ihr Geld verdienen. Die Eltern brächten ihre Kinder jetzt zum Teil nur tageweise. "Sie tun, was sie können", sagt Schweiger.

Maike Artmann vom Integrationskindergarten Wilde Wiese in Aying betont, dass die Notbetreuung nicht nur für die Eltern eine Entlastung sei, sondern auch für die Kinder. Für die sprachliche und soziale Entwicklung sei der Kontakt mit anderen Kindern und Pädagogen essenziell. In der Einrichtung fällt der Deutsch-Vorkurs, der Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen auf die Schule vorbereiten soll, jetzt erst einmal weg. "In der Notbetreuung setzen wir uns dann einzeln mit den Kindern zusammen, um die sprachliche Förderung zu unterstützen", erzählt Pädagogin Artmann. Durch die Masken sei das sprachliche Lernen erschwert. Die Ayinger Einrichtung ist zurzeit zu 50 Prozent ausgelastet. Mit den Eltern haben die Pädagogen eher die Erfahrung gemacht, dass sie sich nicht eingestehen wollen, dass sie Hilfe brauchen, um die Betreuer nicht zu belasten. Viele Eltern können laut Artmann nicht auf familiäre Hilfe zählen, manche würden neben ihrer Arbeit noch studieren. In anderen Familien seien beide Elternteile berufstätig und müssten nebenher die Betreuung eines Kindes im Homeschooling hinkriegen.

"Der derzeitige Betrieb hat nichts mit einer Notbetreuung zu tun", sagt dagegen eine Erzieherin aus Oberschleißheim, die nicht genannt werden will. In ihrer Einrichtung werden momentan gut 40 Prozent der Kinder betreut. Sie befürworte das gelockerte Angebot, sagt die Erzieherin, jedoch hielte sie ein in der Einrichtung erarbeitetes Stufenmodell für sinnvoller. Dieses würde wie bei dem Wechselunterricht in der Schule vorsehen, dass die Kinder jede zweite Woche kommen dürfen. Kian Darkhal, der seit Jahresbeginn den evangelischen Kindergarten am Floriansanger in Neubiberg leitet, beklagt vor allem die mangelnde Planungssicherheit: "Wir werden jeden Tag überrascht, wie viele Kinder tatsächlich kommen", sagt er. Er wünscht sich daher, dass es einen Berechtigungsnachweis oder eine Anmeldung brauche.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft geht mit ihrer Kritik noch weiter. "Wir als GEW sehen es mit Blick auf das Infektionsrisiko für das Erziehungspersonal in der Kindertagesbetreuung kritisch, dass die Notbetreuung leichter genutzt werden kann als im Frühjahr", sagt Siri Schultze, Geschäftsführerin des GEW-Stadtverbands München. "Die Idee der Notbetreuung passt nicht zu der lockeren Vorgabe der Politik, dass doch alle diese nutzen können", sagt Schultze. Je nachdem wie alt die Kinder seien, hätten die Erzieherinnen und Erzieher weniger die Möglichkeit, sich durch Abstandhalten zu schützen, sagt sie.

© SZ vom 20.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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