Kinderbetreuung:Streit um Erziehermangel eskaliert

München, Giesing, Kindergarten, Gummistiefel,

Es fehlt an Plätzen in den Kitas und Kindergärten im Landkreis München - weil vor allem geeignetes Personal Mangelware ist.

(Foto: Angelika Bardehle)

Brunnthal macht die Arbeiterwohlfahrt für die Personalnot in einer Kindertagesstätte verantwortlich und droht mit Abmahnung. Der Streitfall zeigt, wie groß der Druck auf Eltern, Kommunen und Träger ist.

Von Bernhard Lohr

Bürgermeister Stefan Kern (CSU) hat sich einiges anhören müssen. Viele Mütter und Väter saßen bei ihm im Büro des Brunnthaler Rathauses. Manche hatten ihre Kinder im Schlepptau. Sie versuchten ihm klarzumachen, wie dringend ihr Anliegen ist. Manche waren vor Verzweiflung den Tränen nahe.

Manche drohten mit dem Anwalt und pochten auf ihren Rechtsanspruch, weil kein Betreuungsplatz zugesagt worden war. Nun hat die Gemeinde den Druck weitergegeben und der Arbeiterwohlfahrt (Awo) als Träger einer Kindertagesstätte mit "Abmahnung" gedroht, weil diese Schuld an der Misere trage. Die Awo fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt - und stellt eine Lösung des Problems in Aussicht.

Der Fall in Brunnthal wirft ein Schlaglicht auf die Lage vieler Eltern, die Ende Juni nicht wissen, ob sie ihre Kinder im September untergebracht haben werden. Die Gemeinden sind gefordert. Kinder kommen früh in die Krippe, weiter geht es im Kindergarten und dann mit Nachmittagsbetreuung und Hort. Für all das müssen Räume und Personal zur Verfügung stehen.

Auch andere Gemeinden haben lange Wartelisten

In Unterhaching zum Beispiel sucht der Kindergarten St. Korbinian dringend Erzieher oder Kinderpfleger. Erst wenn diese gefunden seien, sagt Rathaus-Sprecher Simon Hötzl, könne eine Reihe von noch für September in der Gemeinde benötigten Kindergartenplätzen geschaffen werden. Im Unterhachinger Kindergarten an der Robert-Koch-Straße wird gerade eine Notgruppe eingerichtet. Und an der Nordstraße ist ein Kindergarten im Bau, auf dessen zügige Fertigstellung alle hoffen.

Die Gemeinden und die Träger arbeiten jetzt im Juni, Juli unter Hochdruck. Unterschleißheims Bürgermeister Christoph Böck (SPD) räumt ein, dass noch 20 Krippenkinder und 19 Kindergartenkinder auf der Warteliste stehen. Absagen solle es möglichst nicht geben. "Wir gehen davon aus, dass wir für alle dringenden Fälle eine Lösung finden werden." Die Stadtverwaltung arbeite im "kleinen Notfallmodus". Es werde noch eine Kindergartengruppe eröffnet und mit Tagesmüttern an Lösungen für Kleinkinder gearbeitet.

In Haar richtet die Nachbarschaftshilfe eine Großtagespflege-Einrichtung am Kirchenplatz ein. In Ismaning stehen elf Kinder auf der Warteliste für einen Krippenplatz. Wie Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) sagt, baut die Gemeinde derzeit eine temporäre Krippeneinrichtung auf, die wohl zum Jahresbeginn 2017 in Betrieb gehen werde. Die Personalsuche sei schwierig.

Aus Kirchheim berichtet Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) von einer ganzen Reihe von "Notlösungen", mit denen die Zeit überbrückt werden soll, bis neue, im Bau befindliche und geplante Einrichtungen 2017, 2018 und 2019 fertig sind. Die Gemeinde habe die Absicht, mit Hilfe der Pfarrei St. Andreas eine Kindergartengruppe für den Übergang zu schaffen. Das größte Problem sei die Suche nach Personal.

Gerade das bot in Brunnthal den Anlass für einen mittleren Eklat, der zeigt, wie groß der Druck ist, der auf Eltern, Kommunen und auch Trägern von Kindertagesstätten lastet. In Brunnthal bangten Eltern von 37 Kindern lange, weil sie noch keine Zusage für das Kindergartenjahr 2016/17 bekommen hatten. 25 Plätze in der Kindertagesstätte "Gänseliesl" der Awo wurden nicht vergeben, und zwölf in der Krippe, weil nicht garantiert werden konnte, dass im September ausreichend Personal da ist.

Die Arbeiterwohlfahrt wehrt sich gegen die Vorwürfe

Die Gemeinde nahm das jetzt zum Anlass, in einem bisher einmaligen Vorgang der Awo wegen einer angeblich nur halbherzig betriebenen Personalakquise mit einer formellen "Abmahnung zum bestehenden Defizitvertrag" zu drohen, sollte es dem Träger nicht gelingen, die Personalprobleme in der Kindertagesstätte zu beheben.

Bei der Awo schlug das ein wie eine Bombe. Man fühlt sich komplett falsch verstanden und wehrt sich gegen den Vorwurf. Die Sprecherin des Awo-Kreisverbands, Barbara Ettl, sagt: "Wir finden, dass das kein hinnehmbarer Umgang ist mit einem Vertragspartner, mit dem man jahrelang gut zusammengearbeitet hat." Die Situation sei doch jedes Jahr um diese Zeit dieselbe. Es laufe der Kampf um die Betreuungsplätze und die Akteure seien nervös.

Susanne Schroeder, Fachbereichsleiterin Kindertagesstätten bei der Awo, betreut 21 Kindertagesstätten im Landkreis. Sie kennt die Junikrise. Am Ende würden in der Regel Lösungen gefunden, sagt sie und bittet um Verständnis. Die Awo könne als seriös arbeitende Einrichtung erst Zusagen für Plätze geben, sagt sie, wenn das Personal gesichert sei.

Warten auf die Arbeitserlaubnis

Das zu finden, fällt gerade im Landkreis München Gemeinden und Kita-Trägern schwer. Die Lebenshaltungskosten und die Mieten sind hoch, wenn überhaupt Wohnungen gefunden werden. Susanne Schroeder von der Awo erzählt von einem Fall, bei dem die Anstellung einer gut qualifizierten Erzieherin in Feldkirchen an der fehlenden Wohnung scheiterte. Die Awo suche Personal im In- und im Ausland, sagt Schroeder. Arbeitskräfte kämen aus Griechenland und Kroatien. Wegen der Arbeitserlaubnisse stehe man in engem Kontakt mit dem Landratsamt.

Viele Anfragen gebe es aus Bosnien, das aber nicht zur EU gehöre. Zwei Betreuungskräfte, die eine Ausbildung am Beruflichen Fortbildungszentrum (BFZ) absolviert hätten, seien bereits stundenweise in Brunnthal im Einsatz, warteten aber noch auf ihre Ausbildungszertifikate. Diese seien "absolut eingeplant", sagt Schroeder. Die Leute würden direkt von der Schule angeworben. Man ziehe bei der Personalsuche alle Register. Dass Brunnthal jetzt von einer "Abmahnung" spricht, kann Schroeder nur schwer verdauen. Dies sei ein "heikles Wort" aus dem Personalwesen, mit dem ein Fehlverhalten angeprangert werde. Ein solches Fehlverhalten habe es nicht gegeben.

Der Bürgermeister findet die Abmahnung selbst "bisserl scharf"

Bürgermeister Kern stimmte so wie alle anderen für den Antrag, den CSU-Gemeinderat Daniel Brenner gestellt hatte. Dennoch will Kern das rückblickend nicht allzu hoch hängen. Es seien Eltern in der Sitzung gewesen und die Stimmung aufgeheizt. Gemeinderäte hätten die Personalsuche der Awo bemängelt. Das mit der Abmahnung "ist schon bisserl scharf", räumt Kern ein. Am Ende sei es "nur ein Wort". Die Verwaltung habe ein gutes Verhältnis zur Awo.

Die setzt weiter auf enge Kooperation zwischen Trägern und Kommunen. Letztere könnten die Personalsuche erleichtern, wenn sie Gemeindewohnungen errichteten, sagt Schroeder. Kirchheim etwa, und auch Brunnthal haben das vor. Für den konkreten Streitfall stellt Fachbereichsleiterin Schroeder eine Lösung in Aussicht. Sie sagt, sie habe für den Kindergarten in Brunnthal zwei Mitarbeiter "an der Hand", für die Krippe sei eine Fachkraft angestellt worden. Diese Woche würden die Zusagen an die Eltern verschickt.

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