Baubranche contra Naturschutz:Da kommt was ins Rutschen

Baubranche contra Naturschutz: Begehrter Rohstoff: Zwischen Gräfelfing und Planegg baut das Unternehmen Glück seit vielen Jahrzehnten im großen Stil Kies ab.

Begehrter Rohstoff: Zwischen Gräfelfing und Planegg baut das Unternehmen Glück seit vielen Jahrzehnten im großen Stil Kies ab.

(Foto: Robert Haas)

Seit mehr als einem halben Jahrhundert fördert die Firma Glück im Würmtal Kies - als Rohstoff für Beton, der im Großraum München dringend benötigt wird. Umweltschützern ist das Werk ein Dorn im Auge. Dieses reagiert auf die wachsende Kritik nun mit mehr Transparenz.

Von Rainer Rutz, Gräfelfing/Planegg

Es sind keine leichten Zeiten für Markus Wahl. Die "bösen" Grünen, diverse Umweltschützer, aber auch etliche Gemeinderäte der umliegenden Würmtal-Gemeinden und einfache Bürger sitzen ihm wieder mal im Nacken. "Es sind immer dieselben Leute", sagt der 57-Jährige, der seit 1989 zur Geschäftsführung des Kiesunternehmens Glück mit Sitz in Gräfelfing gehört. Er sagt es so, als ob das ein Qualitätsmerkmal sei. Markus Wahl kennt das Unternehmen von der Pieke auf und er vertritt es nach außen und innen mit bemerkenswerter Leidenschaft. Das muss er auch, denn der bayerische Kies-Multi hat es zunehmend schwerer im schönen und einstmals so idyllischen Würmtal.

Das liegt jetzt nicht unbedingt an einer aggressiveren Geschäftspolitik im Vergleich zu früheren Jahren, sondern eher an einem immer stärker werdenden Gefühl für die unmittelbare Umwelt der hier lebenden Menschen und für einen fokussierten Blick auf eine stringenter werdende Klimapolitik auch im lokalen Bereich. Wahl will dem vor allem mit Offenheit begegnen, mit umfassenden Informationen über das Unternehmen, den Kiesabbau und den damit verbundenen Folgen für Mensch, Tier und Umwelt. Und so lädt er ein: Tage der offenen Tür wechseln sich ab mit Betriebsbegehungen und Presseterminen. Die Süddeutsche Zeitung konnte unlängst mit einem Fotografen stundenlang das riesige Gelände durchstreifen. Es gibt, so hat es den Anschein, keine Geheimnisse, alle Fragen wurden beantwortet. Vor zwanzig Jahren wäre das so noch undenkbar gewesen.

Baubranche contra Naturschutz: Als "Unsinn" bezeichnet Geschäftsführer Markus Wahl die Vorwürfe von Umweltschützern.

Als "Unsinn" bezeichnet Geschäftsführer Markus Wahl die Vorwürfe von Umweltschützern.

(Foto: Robert Haas)

Der Geschäftsführer weiß, dass er mit Geheimnistuerei nicht weiter kommt. Und so war es für Wahl eine kleine Katastrophe, dass die Öffentlichkeit im ganz aktuellen Fall einer unmittelbar bevorstehenden - und behördlich mehrfach genehmigten - Abholzung eines kleinen Wäldchens im Bannwaldgebiet von den Ereignissen überrollt wurde. Denn statt rechtzeitig - und das wäre spätestens im März gewesen - den Beschluss zum Kahlschlag noch einmal im Gemeinderat zu präsentieren, wartete die lokale Politik bis zum Mai und verquickte die Nachricht auch gleich noch mit einer weiteren unpopulären Ankündigung: dem von Glück geplanten Bau einer mobilen Recycling-Anlage für Bauschutt. Seitdem steht Wahl fast auf verlorenem Posten. "In den letzten Jahren habe ich keine einzige kritische Mail aus der Bevölkerung bekommen", sagt er, und nun dieser Sturm der Entrüstung. "Dabei wird so viel Unsinn verbreitet."

Baubranche contra Naturschutz: Der Kiesabbau im Westen Münchens frisst sich voran. Auch dieses Wäldchen ist von der Abholzung bedroht.

Der Kiesabbau im Westen Münchens frisst sich voran. Auch dieses Wäldchen ist von der Abholzung bedroht.

(Foto: Robert Haas)

"Unsinn", das ist für Wahl vor allem die seiner Ansicht nach von den Kiesgegnern ignorierte Tatsache, "dass wir ein grüner Betrieb sind, wir machen Natur. Alles, was hier passiert, ist ein natürlicher Kreislauf, keine Chemie, keine schädlichen Emissionen." Was "hier passiert", ist eine seit mehr als einem halben Jahrhundert stattfindende enorme Auskiesung des Bodens, der bekanntermaßen der oberbayerischen Schotterebene zugehörig ist und unendliche Mengen an wertvollem Kies aufweist. Kies, ein natürlicher Baustoff, der im Würmtal eine "besonders hochwertige Qualität" hat, wie Wahl sagt. Aus Kies wird Sand und Splitt und letztlich oft Beton. Beton, der gerade im Großraum München dringend benötigt wird. Gerne wird das Beispiel des U-Bahnbaus zitiert.

Von Gegnern des Kiesabbaus wird immer wieder angeführt, es gebe längst Ersatzstoffe für Beton, so richtig durchgesetzt hat sich diese Erkenntnis jedoch bisher nicht. Der Kreislauf der Auskiesung, wie ihn Glück beschreibt, stellt sich so dar: Vorbereitung zur Gewinnung, Gewinnung von Rohkies, Wiederverfüllung der Gruben, Rekultivierung und - last not least - die Schaffung eines "gesunden Laubmischwaldes" statt der bestehenden Fichtenmonokultur. So lautet jedenfalls die Firmen-Philosophie. Dass Umweltschützer das anders bewerten, liegt auf der Hand. Denn sie sehen in der Zerstörung von Wäldern, Fichten hin oder her, nicht nur eine Zerstörung von Lebens- und Erholungsraum. Die ursprüngliche Landschaft, manchmal urwaldähnlich, wird durch Rekultivierung nie mehr so, wie sie war, wird argumentiert.

Baubranche contra Naturschutz: Aus den gewaltigen Kraterlandschaften sollen nach Vorstellung des Unternehmens eines Tages Biotope mit Kleingewässern werden.

Aus den gewaltigen Kraterlandschaften sollen nach Vorstellung des Unternehmens eines Tages Biotope mit Kleingewässern werden.

(Foto: Robert Haas)

Das betrifft naturgemäß auch die Fauna. Wahl sagt zwar Sätze wie: "Ich kann mit der Haselmaus." Doch sie wirken wenig überzeugend angesichts der Kraterlandschaft, die dem Besucher des Abbaugeländes entgegenspringt. "Biotope und Kleingewässer" würden durch Auskiesung entstehen; wie zum Beweis hat Glück auf dem rekultivierten Gelände Bienenstöcke stehen, der gewonnene "Glückshonig" wird verschenkt. Auf den Gläsern mit dem Bioland-Siegel steht der Satz: "Biologischer Honig, gesammelt von glücklichen Bienen auf den Kieswerkflächen der Firma Glück in Gräfelfing."

Riesige rekultivierte Flächen werden sichtbar, wenn man das ehemalige Abbaugebiet durchquert. Auf den ersten Blick sind das schöne Mischwälder, auf den zweiten allerdings kann man sich schwer vorstellen, hier in Muße Pilze zu sammeln. Markus Wahl selbst findet so manche Rekultivierung "zu dicht gesetzt". Eine einzige riesenhafte Grube gibt es noch, die gerade ausgebaggert wird. Es sei die letzte, sagt Wahl. "In spätestens drei Jahren ist Schluss." Nachprüfbar ist das nicht, zu oft schon in den vergangenen Jahrzehnten sollte Schluss sein und dann kam wieder eine neue Grube, eine neue Genehmigung dazu. Das Unternehmen musste in jüngster Zeit einige schmerzhafte Niederlagen hinnehmen: Die weitere Auskiesung nahe Forst Kasten ging flöten und für eine Genehmigung im Planegger Wäldchen an der Lindauer Autobahn wurde eine behördliche Verweigerung signalisiert. Glück verzichtete. Zunächst.

Ein paar Zahlen, die Geschäftsführer Wahl bei der Tour durchs Werksgelände los wird: Mit rund 20 Schwerlastwagen wird das Material im Schnitt "rund sieben Kilometer" ins Land hinaus transportiert. Dazu kommen allerdings noch Dutzende Lkw anderer Fuhrunternehmen einschließlich der Verfüll-Laster. 160 Mitarbeiter beschäftigt Glück, beim Werksrundgang fällt die freundschaftliche und fast schon familiäre Art und Weise auf, mit der kommuniziert wird. Ein drei Kilometer langes Förderband transportiert große Teile des Aushubs in die Anlage.

Baubranche contra Naturschutz: Über Förderbänder wandert der Aushub ins Werk.

Über Förderbänder wandert der Aushub ins Werk.

(Foto: Robert Haas)
Baubranche contra Naturschutz: Von dort geht es weiter zum Transport auf Lastwagen.

Von dort geht es weiter zum Transport auf Lastwagen.

(Foto: Robert Haas)

Vergangenes Jahr wurde das Band von Unbekannten in Brand gesetzt, der Schaden ging in die Millionen. Rein rechnerisch, sagt Wahl beim Rundgang, braucht jeder Deutsche pro Tag 30 Kilogramm an mineralischen Stoffen - "eine ungeheure Zahl, die nur durch regionale Versorger wie unsere Firma garantiert werden kann". Immer wieder der Blick auf die "gute Infrastruktur" im Würmtal - ein Argument, das aber auch die Kies-Gegner verwenden. Denn die gute Infrastruktur ist und war auch ein Grund für die zunehmende Besiedelung des Würmtals: Innerhalb von 90 Jahren ist das Kieswerk Glück so zu einem festen Bestandteil urbaner Entwicklung geworden - und befindet sich heute inmitten dichter Bebauung, ein Fremdkörper für viele.

Markus Wahl wirkt am Schluss der zweistündigen Rundfahrt erschöpft und ein wenig resigniert. Er wünscht sich, man möge "auf die sachliche Ebene zurückkommen." Denn sonst "haben unsere Gegner ihr Ziel bald erreicht. Aber sagen Sie mir, woher dann die Rohstoffe kommen werden?"

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